Frank-Michael Uhle, 48, ist Dipl.-Ing. (FH) Architekt und seit 1999 beschäftigt bei der Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück-Kreis mit Sitz in Simmern (Rheinland-Pfalz). Als Gebäudemanager baute er das Energie-Controlling für die kreiseigenen Schulen und Verwaltungsgebäude mit auf und setzte seit dem Jahr 2002 den Kreistagsbeschluss zur Umrüstung der Gebäude auf erneuerbare Energien mit um. Seit 2012 arbeitet er als Klimaschutzmanager für den Kreis, der weithin als Vorbild gilt für die Umsetzung der Energiewende und die Nutzung damit verbundener wirtschaftlicher Chancen für den ländlichen Raum. Der Landkreis erhielt 2011 den Europäischen Solarpreis, wurde 2018 von der Agentur für Erneuerbare Energien als "Energie-Kommune des Jahrzehnts" ausgezeichnet und in einem Dokumentarfilm als "Energiewende-Vormacher" porträtiert.

1. Nennen Sie bitte eine Sache, die Ihnen persönlich wirklich sehr, sehr am Herzen liegt – und die Sie durch den Klimawandel gefährdet sehen.

Die Heimat der gesamten Menschheit! Bis vor kurzem haben viele in Deutschland noch gedacht, es treffe nur Kalifornien, Afrika oder Bangladesch. Nach verheerenden Unwettern, dem Hitzesommer und Niedrigwasser im Rhein, noch im November, kann kein vernünftiger Mensch mehr leugnen, dass der Klimawandel uns alle bedroht. Die 16-jährige Schülerin Greta Thunberg hat es Ende 2018 auf dem UN-Klimagipfel in Katowice drastisch und passend auf den Punkt gebracht.

2. Wann und mit wem haben Sie zuletzt – jenseits Ihres Jobs – über den Klimawandel gesprochen?

Es vergeht eigentlich kaum noch ein Gespräch, bei dem nicht an irgendeinem Punkt mein Gegenüber ihre Besorgnis über den Klimawandel zum Ausdruck bringt. Ich denke, ein unterschwellig schlechtes Gewissen über das persönliche Konsumverhalten zu Lasten der eigenen Kinder und Enkel hält allmählich Einzug.

3. … und mit wem würden Sie sich gern einmal darüber unterhalten?

Mit den sogenannten Skeptikern und Leugnern, die immer noch nicht verstanden haben, dass dezentrale Energieerzeugung und regionale Wertschöpfung zwei Seiten der gleichen Medaille sind. Wir hatten bei uns im Landkreis bereits Besucher aus 46 Nationen, die sich die praktische Bestätigung dieser These vor Ort angeschaut haben. Ich freue mich über jeden Skeptiker, der nachdenklich abreist.

4. Wenn Sie versuchen, Menschen mit dem Thema Klimawandel zu erreichen - hatten Sie schon einmal einen Aha-Effekt in der Frage, wie das am besten gelingt?

Im Jahr 2010 haben wir in einer Grafik aufbereitet, wie aus unserem Landkreis jedes Jahr rund 290 Millionen Euro für Energieimporte "gesaugt" werden. Dieses Geld wollen wir durch höhere Energieeffizienz und die Nutzung der lokalen, erneuerbaren Energien Zug um Zug in regionale Arbeitsplätze und Wertschöpfung umwandeln. Da horchen die Leute auf: Warum das Geld wegschicken an Großkonzerne und in ferne Länder für Öl und Gas, wenn es nicht sein muss? Heute können wir hiervon bereits jährlich 44 Millionen Euro regional binden – und die Kommunen florieren bereits jetzt!

5. Die Menschen, die Ihnen besonders nahestehen - könnten die zutreffend beschreiben, was Sie in Sachen Klimawandel tun?

Ich bekomme positives und freundliches Feedback - das lässt mich hoffen. Die Menschen hier sind sehr stolz darauf, dass es mutige Visionäre gab und wir nun sehen, was binnen einer Dekade aus deren Ideen entstanden ist. Dass der Einzelne nichts bewegen kann, ist schlichtweg Quatsch!

6. Stellen Sie sich vor, Sie wären die Vorsitzende einer politischen Partei, die den Klimaschutz voranbringen will. Was wäre der Kampagnen-Slogan, mit dem Sie Ihre Wählerinnen und Wähler erreichen?

"Beim Klimaschutz geht´s um die Bewahrung der Schöpfung und gleichzeitig um regionale Wertschöpfung – sprich Wirtschaftsförderung." Das sind erzkonservative Themen, hinter denen sich alle Parteien versammeln können. Ich bin dankbar, dass in unserem Kreistag alle wichtigen Klimaschutz-Beschlüsse einstimmig gefasst wurden. Der Erfolg gibt uns heute Recht: Unsere Kommunen sind so gut wie schuldenfrei und verfügen zusätzlich über 84 Millionen Euro Rücklagen. Diese nutzen sie, um ihre Orte fit für die Zukunft zu gestalten.

Vergangenen Monat in dieser Rubrik:
Erzbischöfin Antje Jackelén von der Schwedischen Kirche

Hinweis: Wir haben die Überschrift dieses Beitrags nach der Veröffentlichung geändert, da sie nicht dem Wortlaut des Interviews entsprach.

Foto: DIfU/Hearts&Minds