Ein wenig Apokalypse darf schon sein – aber wer erfolgreich übers Klima kommunizieren möchte, sollte Auswege aus der Krise zeigen: Auf dem Zürcher K3-Kongress war dies eine wichtige Erkenntnis des ersten Tages. Gute, aktivierende Klimakommunikation müsse Antworten geben auf die Frage „Wo wollen wir überhaupt hin?“, betonte Katharina van Bronswijk, Psychotherapeutin, Buchautorin und Sprecherin der Psychologists and Psychotherapists for Future. „Wir müssen über eine positive Zukunft sprechen.“

Angst lähme und mache die Menschen dümmer, erklärte zum Auftakt des zweiten Konferenztages die Neurowissenschaftlerin Maren Urner. „Wir müssen uns neue Geschichten erzählen“, sagte sie in ihrer Keynote, „Geschichten, die unser Gefühl von Selbstwirksamkeit stärken und uns vermitteln, dass wir etwas tun können, was Sinn und Zweck hat“.  

"Das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen", zititerte die Neurowissenschaftlerin Maren Urner in ihrer Keynote auf dem K3-Kongress den US-Psychotherapeuten Steve de Shazer; Foto: Carel Mohn

Sozialwissenschaftler Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK) schränkte gleich danach ein: „Wir brauchen Geschichten des Gelingens, aber keine Märchen des Gelingens“, sagte er in seinem Keynote-Vortrag. Und weil es auch darauf ankomme, so zu kommunizieren, dass Menschen unterschiedlichen Hintergrunds sich angesprochen fühlen, solle eine angemessene Klimakommunikation auch jene Milieus „mitbedienen“, die dem Klimaschutz noch skeptisch oder gar ablehnend gegenüberstehen, so Reusswig.

Wie wäre es, wenn wir in unserem Herzen eine Vision hätten,
wie unser Heimat- oder Lieblingsort in Zukunft aussehen könnte?

Wohin wollen wir? Dies ist also eine zentrale Frage, mit der sich Klimakommunikator:innen beschäftigen sollten. Und wie wäre es, wenn wir in unserem Herzen eine Vision hätten, wie unser Heimat- oder Lieblingsort in Zukunft aussehen könnte? Mit dieser Frage beschäftigte sich der K3-Workshop „Utopienentwicklung für Transformation“ am Donnerstagvormittag. Geleitet wurde er von Stella Schaller, Vorstand des 2020 gegründeten Think-and-Do-Tanks Reinventing Society, und Christin Bettinghaus, Reinventing-Society-Fellow. 

Je nachdem, in welchem Milieu man diese Frage stellt, dürften die Antworten ganz unterschiedlich ausfallen. Auf dem K3-Kongress aber waren Menschen versammelt, denen der Klimaschutz ein Herzensanliegen ist. Hier ging es folglich um eine klimafreundliche Utopie und darum, wie es sich anfühlen würde, in ihr zu leben. Und so saßen also rund zwei Dutzend Leute für anderthalb Stunden auf Holzhockern in einem Seminarraum beisammen und erarbeiteten ihre Zukunftsvision – in interaktiven Übungen, in denen positive Empfindungen eine wichtige Rolle spielten.

Blick in den K3-Workshop „Utopienentwicklung für Transformation“; Fotos: Christin Bettinghaus/Reinventing Society

Zunächst eine Lockerungsübung: Mit der Methode „Utopian Charge“  ging es darum, das utopische Potenzial eines Ortes oder einer Gemeinschaft zu ergründen. Wie wäre beispielsweise der Zürcher Hauptbahnhof in einer solchen Utopie? Nur eine Auswahl der Antworten: ein Knotenpunkt für Nachtzüge nach ganz Europa; ein Ort der Begegnung, in dem Geflüchtete begrüßt und versorgt würden und Gestrandete ein Bett für die Nacht fänden, mit kostenlosen Trinkwasserbrunnen für alle, voller Blumenduft und Vogelgezwitscher; ein ruhiger Ort, in dem wieder mit dem Besen gefegt würde, durch den der Fluss Sihl wieder oberirdisch verlaufen würde – und man könnte in der Sihl schwimmen…

Die K3-Kommunikations-Community, mit der „Utopian Charge“ weitergedacht, wäre zahlreich und bestens vernetzt, arbeitete zusammen und würde alle Menschen in der Gesellschaft erreichen. Sie träfe sich in der Natur. Zu ihren Kongressen kämen auch Politiker*innen, die danach mit den frisch gewonnenen Erkenntnissen den Klimaschutz vorantrieben – und die Treffen fänden nicht nur auf Deutsch statt, so dass die Community vielfältiger würde. Beim utopischen K3 „werden hier die Keimzellen für nachhaltige Entwicklungsprozesse gesetzt“, war eine Antwort, „wir haben alle leuchtende Augen“ eine weitere, und: „Wir sind ein sozialer Tipping Point.“

„Ich hab‘ mich zur Utopie bemüht, bin aber immer wieder
in die Realität gerutscht, weil ich am Machbaren hänge“

Auf einer imaginären Reise in die Zukunft, der zweiten Übung, die von Stella Schaller ähnlich einer Meditation angeleitet wurde, visualisierten die Teilnehmenden dann eine klimaneutrale Welt in einer Stadt, die sie gut kennen und in der sie sich wohlfühlen. „Ihr landet in einer beruhigten Straße, die Ihr gut kennt und die Euch vertraut vorkommt. Hier spürt ihr: Es ist geschafft. Das Ruder wurde herumgerissen, Ihr seid in einer klimagerechten Version dieser Stadt. Schaut mal, was hat sich verändert? Woran lässt sich die Wende erkennen?“

Nach dem Gang durch die Stadt sollten alle die Utopie noch einmal weiterdrehen: „15 Jahre weiter in eine regenerative Gesellschaft“, in der Städte Orte der Natur sind, die Ökosysteme stabiler sind, die Menschen im Einklang mit der Natur leben, und die Biodiversität wächst. „Wie sieht es jetzt aus? Wie fühlt sich Euer Körper an? Welche Veränderungen hat es in der Straße gegeben?“

Die Zukunftsorte waren ganz unterschiedlich. Viele griffen in der Meditation im ersten Schritt – dem zu einer klimaneutralen Zukunft – auf bereits bekannte Dinge zurück. Eine Teilnehmerin verspürte deshalb Erleichterung: „Mir wurde bewusst, dass wir schon viel haben, und ganz viel ist schon geschafft.“ Ein anderer Teilnehmer hingegen fühlte sich durch den Rückgriff auf Bekanntes gestört: „Ich bin in einem denkmalgeschützten Stadtteil gelandet, da hab‘ ich mich gefragt: Was mach ich denn hier? Da ist mir nicht viel mehr eingefallen als Autos wegzukriegen. Ich hab‘ mich immer wieder zur Utopie bemüht, bin aber immer wieder in die Realität gerutscht, weil ich am Machbaren hänge.“

Manche berichteten von starken Emotionen, Farben, Sinneseindrücken. „Mich hat am meisten berührt, dass die Menschen, die in an meinem Zukunftsort wohnen, sich so nahe sind. Dass die Stadt ein Raum für alle ist, das hat sich toll angefühlt“, sagte eine Teilnehmerin. „Die Zusammenhänge zu spüren, das hat mich am meisten berührt.“ Eine andere fand es „sehr cool, dass die Übung unseren Sinn für Schönes auf ganz vielen Ebenen angesprochen hat. Das kann ein riesiger Hebel sein.“

Manchen fiel es schwer, den schönen, klimaneutralen Ort wieder zu verlassen, um noch weiter in die Zukunft zu reisen: weil ihre Vorstellungskraft dafür nicht ausreichte, oder weil die klimaneutrale Zukunft sich bereits „perfekt“ anfühlte. Andere fanden es hilfreich, gerade diese Barriere noch einmal zu überwinden.

Am Ende stand das Prototyping als letzte Übung: eine Postkarte aus der utopischen Zukunft zu schreiben, einen Tweet oder ein Posting für LinkedIn, um von der Schönheit zu erzählen. Womöglich finden sich demnächst also viele Utopien aus dem K3-Kongress im Netz.

Alexandra Endres
Transparenzhinweis: klimafakten.de gehört zum Veranstalterkreis des K3-Kongresses