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Rund ein Grad über dem Mittel: Sehr warmer Sommer in Europa". Schlagzeilen wie diese gibt es immer öfter. Oder: "Die Wetterbilanz 2020: Mehr als zwei Grad zu warm und extrem sonnig". Regelmäßig berichten Presse, Rundfunk und Online-Medien über den Stand der Erderhitzung – natürlich unter Angabe von Temperturwerten.

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler legen fortlaufend neue Ergebnisse von Klimamodell-Rechnungen vor. "2021 könnte es etwa 0,5 bis 1,0 Grad wärmer werden als im vieljährigen Mittel", hieß es vor ein paar Monaten zum Beispiel in einer Pressemitteilung des Deutschen Wetterdienstes. Bei ungebremsten Treibhausgasemissionen, so der DWD in seinem Nationalen Klimareport, sei für Deutschland bis Ende des Jahrhunderts ein mittlerer Temperaturanstieg von rund 3,8 Grad Celsius zu erwarten. 

Was Laien – und auch etlichen Journalistinnen und Journalisten – nicht klar ist: Viele dieser Zahlenangaben sind nicht direkt vergleichbar. Vor allem aber: Sie sagen häufig nicht, wie stark der Mensch die Erde bereits aufgeheizt hat. Oder wie sehr sich die Welt gegenüber vorindustriellem Niveau erhitzen wird. Kurzgesagt: Viele dieser Temperaturangaben unterschätzen das Ausmaß der Klimakrise.

Die Ursache dafür ist einfach – und in aller Regel auch im "Kleingedruckten" oder in Fußnoten der zugrundeliegenden Fachveröffentlichungen nachzulesen: Der Bezugszeitraum, von dem aus solche Zahlen gerechnet werden, unterscheidet sich häufig. Und fast nie dient als Bezugsgröße die Normaltemperatur der Erde, also das Niveau vor Beginn der Industrialisierung. Genau von diesem Temperaturniveau jedoch werden die Ziele des Pariser Abkommens gerechnet, die Erderhitzung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen, möglichst sogar nur auf 1,5 Grad. Doch "das Kleingedruckte" liest kaum jemand...

Zu den üblicherweise genannten Ergebnissen von Klimamodellen müssen für Deutschland meist noch rund 0,8 Grad Celsius addiert werden

Wenn zum Beispiel der DWD mit seinen Klimamodellen die künftige Entwicklung für Deutschland berechnet, dann beziehen sich die Ergebnisse meist auf den Vergleichszeitraum 1971-2000 – also es wird der Wert genannt, um den sich das Klima zum Beispiel bis Mitte des Jahrhunderts gegenüber diesem Niveau verändert. Wissenschaftlich betrachtet ist das sehr sinnvoll, denn die DWD-Klimamodelle beginnen ihre Rechenläufe in der Regel im Jahr 1971. Auch die sogenannten "Klima-Ausblicke", die das Climate Service Center Germany (Gerics) in Hamburg jüngst für alle 401 Landkreise der Bundesrepublik veröffentlicht hat, beziehen sich in ihren Aussagen auf den Durchschnitt der Jahre 1971-2000. Doch auch dieser Zeitraum war ja bereits "zu warm" – die Temperaturen lagen damals in Deutschland bereits rund 0,8 Grad höher als direkt nach Beginn der flächendeckenden Messungen 1881.

Wenn der Gerics-Klimaausblick zum Beispiel für den Raum Köln bis zu 4,9 Grad Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts nennt, dann ist schon das eine dramatische Erhitzung. Doch es ist immernoch nicht das vollständige Bild. Gegenüber vorindustriellem Normalniveau auf der Erde betrüge der Anstieg grob überschlagen dann sogar 5,7 Grad Celsius.

Aktuelle Jahre werden oft mit der "international üblichen Referenzperiode" 1990-2020 verglichen – doch die war bereits 1,5 Grad Celsius zu warm

Ein ähnliches Problem stellt sich bei vielen Angaben dazu, "wie viel wärmer" ein bestimmtes Jahr bereits war oder ist. Als Vergleichszeitraum für solche Aussagen diente in den vergangenen Jahren in der Fachwelt – einer Empfehlung der Weltorganisation für Meteoroloie (WMO) folgend – meist der Temperaturdurchschnitt des Zeitraums 1961-1990. Doch auch dieser war bereits durch den beginnenden Klimawandel nach oben verzerrt. Um rund 0,4 Grad Celsius über dem vor- bzw. frühindustriellem Niveau lagen damals bereits die Temperaturen in Deutschland, weltweit war jener 30-Jahres-Zeitraum schon rund 0,39 Grad Celsius erwärmt. Diese Werte müssen deshalb häufig noch aufgeschlagen werden, wenn man die tatsächliche Erhitzung eines Einzeljahres beispielsweise in Bezug setzen will zu den Zielen des Pariser Klima-Abkommens.

In Fachkreisen ist all dies bekannt, für die breite Öffentlichkeit jedoch sehr schwer durchschaubar. Aus diesem Grund hat klimafakten.de gemeinsam mit dem ExtremWetterKongress Hamburg eine kompakte Handreichung erarbeitet. Kernstück sind zwei übersichtliche Tabellen für Deutschland und die Welt – mit ihrer Hilfe lassen sich Temperaturangaben in vergleichbar machen mit dem vorindustriellen Niveau. Man kann also schnell ablesen, welche Werte abhängig vom jeweiligen Bezugszeitraum aufgeschlagen werden müssen. Die Handreichung finden Sie hier.

Verschärft wird das beschriebene Problem noch dadurch, dass die WMO seit Anfang 2021 eine neue Vergleichsgröße empfiehlt – nämlich den Temperaturdurchschnitt der Jahre 1990-2020. Dieser war natürlich noch heißer, in Deutschland bereits rund 1,5 Grad Celsius, weltweit 0,87 Grad Celsius als die "Normaltemperatur" der Erde. Wenn also demnächst über das Jahr 2021 berichtet werden sollte, es sei "wärmer gewesen als das vieljährige klimatologische Mittel der Jahre 1991 bis 2020" – dann weiß man dank der neuen Tabelle, dass zu diesem Wert (für Deutschland) noch rund 1,5 Grad Celsius addiert werden müssen, um ein realistisches Bild von der Fieberkurve der Erde zu erhalten.

 

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Toralf Staud