Aufatmen in Hollywood: Nachdem er fünfmal erfolglos für den Oscar nominiert war, erhielt Leonardo DiCaprio im Februar dieses Jahres bei der 88. Verleihung des Filmpreises die begehrte Auszeichnung in der Kategorie Bester Schauspieler für den Film "The Revenant". Ein Millionenpublikum folgte live diCaprios dreiminütiger Dankesrede. Rund 60 Sekunden davon widmete er der Bedrohung durch den Klimawandel: 2015 sei ein rekordwarmes Jahr gewesen, die Welt dürfe die globale Erwärmung nicht einfach hinnehmen, die Ärmsten litten am meisten, mahnte der Preisträger.

Anhand dieser Oscar-Rede haben US-Forscher untersucht, wie stark Soziale Medien eine Eigendynamik entwickeln können, um ein Thema zu befördern. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals PLOS One erschienen. Detailliert analysierte das Team aus Medien- und Politikwissenschaftlern unter der Leitung von Eric C. Leas und John W. Ayers, wie stark sich diCaprios Rede in den traditionellen Medien, im sozialen Netzwerk Twitter und im Nutzerverhalten der Suchmaschine Google niederschlug. Ergebnis: Die traditionellen Massenmedien beschäftigten sich nach der Rede nicht signifikant häufiger mit dem Klimawandel – in den Sozialen Medien hingegen fand das Thema innerhalb weniger Stunden eine inflationäre Verbreitung.  

So wurden Twitter-Nachrichten mit den Begriffen "climate change" oder "global warming" über 600 Prozent mehr verschickt als sonst üblich und erreichten am Tag der Rede eine Rekordzahl von mehr als 250.000 Stück. Auch die Zahl der Google-Suchanfragen zum Stichwort "climate change" stieg innerhalb der Stunde von DiCaprios Rede um 260 Prozent und lagen noch am Folgetag um 78 Prozent über dem Niveau von vor seiner Rede. Die Google-Nutzer suchten vier Mal so lang als im üblichen Tagesdurchschnitt. Damit erreichten die Begriffe "climate change" und "global warming" ihren dritthöchsten Wert bei Google-Trends überhaupt.

Am Tag der Oscar-Rede von Leonardo diCaprio schoss die Zahl der Suchanfragen bei Google für einige der Begriffe, die darin vorkamen, massiv in die Höhe; Grafik: Leas et al. 2016

Zudem verglichen die Autoren die Werte mit denen, die anlässlich der Klimakonferenz von Paris (COP21) im Dezember 2015 und dem diesjährigen Tag der Erde (EarthDay) am 22. April verzeichnet wurden. Bemerkenswerterweise überflügelte die dreiminütige Oscarrede des Schauspielers in der Resonanz die zweiwöchige COP und den von unzähligen Umweltschützern weltweit beworbenen EarthDay bei weitem.

"Forscher sollten Aufmerksamkeits-Spitzen in Sozialen Medien bewusst nutzen"

Anhand des "DiCaprio-Effekt" wollten die Studienautoren zeigen, wie groß das Potenzial viraler Botschaften für die Klimakommunikation ist. Ihr Fazit: Geplante Kampagnen "von oben" oder klassische Medien wie Zeitungen und Rundfunk spielen zwar noch eine Rolle, bekommen aber dadurch Konkurrenz, dass Nachrichten in Sozialen Netzwerken in Sekunden geteilt und vervielfacht werden können und die Empfänger somit selbst zu Sendern werden.

Dieses Phänomen – in Fachkreisen als "organic advocacy" bezeichnet – könne der Klimakommunikation nützen, meinen die Studienautoren. In Reaktion auf die Rede des Oscarpreisträgers hätte sich die Forscher-Community auf die Social-Media-Welle setzen und bereits zuvor aufbereitetes Wissen schnell verfügbar machen können. "Wenn solche Ereignisse bewusst verfolgt werden, können Wissenschaftler auf die Öffentlichkeit einwirken und vorhandene Ressourcen mobilisieren, um das bereits sensibilisierte Publikum zu erreichen", schreibt das Autorenteam.

Während solcher Aufmerksamkeits-Spitzen könne mit geringen Kosten schnell und effizient auf Twitter, Facebook oder Instagram interveniert werden – auch um zu zeigen, dass jeder etwas zum Klimaschutz beitragen kann. "Die Forscher-Gemeinschaft", so der Appell der Studie, „muss in der dynamischen Medienlandschaft des 21. Jahrhundert ankommen und bereit sein, sich auf die nächste Gelegenheit gut vorzubereiten."

Susanne Götze;
Quelle des Titelfotos von Leonardo diCaprio: https://www.facebook.com/LeonardoDiCaprio/