"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es ja doch!" Dieses Zitat stammt von Karl Valentin. Dass es Eingang fand auf den Klimakongress K3, ist Eckart von Hirschhausen zu verdanken, der am Dienstagnachmittag im Programmblock "Klimahandeln" seinen Auftritt hatte. Auftritt ist der richtige Begriff: von Hirschhausen ist nicht nur Arzt, Schriftsteller, Journalist und Moderator. Der 52-Jährige ist auch Kabarettist, Comedian und Zauberkünstler. Und diese Kombination versteht er geschickt für den Klimaschutz einzusetzen. Hirschhausen ist eines der prominentesten Gesichter der Scientists for Future - und als Moderator eben auch deshalb so erfolgreich, weil er weiß, wie man ein Publikum rockt.

"Wenn ich Sendungen mache, denke ich bei den Vorbereitungen: Gibt es etwas, was man als Partywissen am nächsten Tag weitergeben kann?" Denn das sei ein nicht zu unterschätzendes Moment, mit dem man Adressaten packen könne: gesellschaftliche Relevanz. Und um es vorwegzunehmen: Ziel von Hirschhausen ist, dass auch das K3-Publikum etwas mit nach Hause nimmt. Und wenn es nur gute Laune und frische Motivation ist.

Eckart von Hirschhausen weiß, wie man ein Publikum rockt - auch auf der K3; Foto: K3/DKK/Stephan Röhl

Um das Klimathema nach vorn zu bringen, sei eine neue Bildsprache notwendig, sagt von Hirschhausen. "Wer von euch hat schon einmal in sein Wohnzimmer geschissen?", fragt von Hirschhausen in den Audimax des KIT in Karlsruhe. Natürlich meldet sich niemand. Er fährt fort: "Niemand möchte, dass es dort stinkt, wo es heilig ist, im Wohnzimmer, wo ich mit meinen Liebsten leben möchte." Von Hirschhausen fordert seine Zuhörer auf, das Fenster aufzumachen: "Living Room heißt das Wohnzimmer im Englischen, living room – das ist unsere Erde." Die Wissenschaftler sollten nicht so viel über ppm und Emissionsdatenkurven reden, "sondern mehr über das, was wir im living room anstellen."

Wie bekommen wir eine Welt hin, die wir uns wünschen?

"Die Frage ist doch: Wie bekommen wir eine Welt hin, die wir uns wünschen - statt über eine Welt nachzudenken, aus der wir wegwollen." Wer jetzt die Stirn kräuselt, den holt Hirschhausen ab mit einem Beispiel "auf Sandkastenlevel": Wenn man einem Kind vorschlägt, es solle sich irgendeine Farbe aussuchen: "jede - außer gelb". Dann werde das Kind antworten: "Ich wollte aber gelb."

Das Publikum - rund 500 Wissenschaftlerinnen, Behördenmitarbeiter, Pressesprecherinnen, NGO-Campaigner und viele andere - folgt ihm gebannt. Und als er es aufruft, ihm Namen zuzurufen von Leuten, die man als Multiplikatoren gewinnen müsse für mehr Klimaschutz, sprudeln die Ideen: die Geißens werden ihm genauso vorgeschlagen wie Christiano Ronaldo oder die deutsche Fußballnationalmannschaft. Es ist eine Ausgabe der erfolgreichen Hirschhausen-Show: Die Leinwand über ihm zeigt, wie er mit Ernst Ulrich von Weizsäcker redet ("Inspiration für mich"), wie er mit seiner Familie debattiert ("wichtig ist Generationengerechtigkeit"), wie er mit einer Psychologin über den Hass auf Greta Thunberg spricht,  ("Der Hass ist besser organisiert als wir"). Hirschausen im Tagesspiegel, Hirschhausen in der Bundespressekonferenz.

Zehn Radler oder ein SUV - wessen Abgase atmet man lieber ein?

Das ist alles flott und klug vorgetragen, und bietet reichlich Stoff zur Anregung. "Wenn wir über die Klimakrise reden, lass uns das gutgelaunt tun", fordert von Hirschhausen, "ich bin ja auch als Komiker unterwegs." Er atme lieber die Abgase von zehn Radfahrern ein als jene von einem SUV. Und wer künftig ein Kilo Fleisch im Supermarkt kaufe, der solle doch auch gleich die Folgekosten mit nach Hause nehmen: "Hier noch 20 Liter Gülle. Geht das so, oder wollen sie einen Deckel drauf?"

"Das ewige Apokalysen-Sprech stumpft ab", betont von Hirschhausen. Er fordert, "Helden zu kommunizieren" und "neue Bilder" zu malen. Beiläufig zieht er einen Vergleich zur fragilen Erdatmosphäre: Die sei drei Kilometer dick, "was viel klingt, aber nur von hier bis zum Bahnhof ist". Er wird von fachlichem Widerspruch aus dem Expertenpublikum unterbrochen, weil die Zahl zu niedrig ist. Von Hirschhausen erhöht auf fünf Kilometer, was die versammelte Schar der Meteorologen und Klimatologen im Publikum aber immer noch nicht gelten lassen kann. Zur Güte schlägt von Hirschhausen vor, sich darauf zu einigen, dass "die Luft ab fünf Kilometer Höhe dünn wird".

Womit von Hirschhausen ganz nebenbei einen wichtigen Punkt bei der Klimakommunikation illustriert hat: Ein wirklich flotter, unterhaltsamer Vortrag ist eine - aber eben nur EINE Form, wie man das Thema unter die Leute bringen kann. Zweifellos eine, die von Hirschhausen perfekt beherrscht. Natürlich hat der medizinische Comedian recht, wenn er sagt, dass "die Wissenschaftscommunity oft langsam und langweilig" kommuniziert. Und natürlich hat der talkende Klimaschützer Recht, wenn er fordert, neue Allianzen zu suchen, neue Formate zu erobern, etwa via Youtube. Dabei besteht die Gefahr, dass die anderen Kommunikatoren in Vergessenheit geraten, die eine solche Show erst möglich macht: die wissenschaftlich fundierte, an Fakten orientierte, auf jede Polemik verzichtende, eben die, die mancher als "langweilig" bezeichnet.

Aber davon kennt das K3-Publikum offenbar mehr als genug. Eckart von Hirschhausens Vortrag wurde mit warmen, lang anhaltendem Beifall gefeiert.

Nick Reimer