Seit Sommer 2020 fordert die Initiative "KlimaVorAcht" von der ARD eine tägliche Informationssendung zur Klimakrise. Während der öffentlich-rechtliche Sender bisher zurückhaltend bis abweisend reagierte, kündigte der private Konkurrent RTL den baldigen Start eines regelmäßigen Formats an - und eine Pilotsendung für den 22. April. Der britische Privatsender Sky News war noch schneller: Am vergangenen Donnerstag startete dort "The Daily Climate Show" - ein tägliches Klima-Magazin.

"Nie war es notwendiger als heute, akkurat über die Klimakrise zu berichten und dem Thema neue Zuschauergruppen zu erschließen", sagte Sky-News-Chef John Ryley. Die Sendung werde sowohl über Ursachen und Konsequenzen der Erderhitzung berichten als auch über Lösungsmöglichkeiten - und darüber, wie jede:r Einzelne aktiv werden kann. Auf dem YouTube-Kanal von Sky News kann man die einzelnen Ausgaben der "Daily Climate Show" ansehen. Daneben hat der Sender ein wöchentliches Magazin gestartet, das für Smartphones optimiert ist, sowie einen neuen Podcast namens "ClimateCast".

In einem Offenen Brief an den ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow hatten Ende März zahlreiche Prominente - unter anderem aus Forschung, Medien, Kultur und NGOs - die Forderungen der Initiative "KlimaVorAcht" unterstützt. klimafakten.de hat einige der Unterzeichner:innen gebeten, die ersten Folgen der "Daily Climate Show" zu rezensieren. Hier ihre Eindrücke:

 

 

Friederike Otto

Associate Director des Environmental Change Institute und Associate Professor an der Universität Oxford

Insgesamt finde ich die Sendung eine echte, wichtige Bereicherung für das Fernsehen. Es ist in jedem Fall eine Show, also Unterhaltung, nicht reine Information – aber das ist meiner Meinung nach gut, denn sonst würde man es sich ja nicht anschauen. Exzellent ist, dass die meisten Geschichten über Menschen erzählt werden, denn das zeigt deutlich wie sehr Klimawandel unser Leben heute schon bestimmt. Der wöchentliche Podcast ist eine echte Bereicherung – nicht nur, weil ich in der ersten Folge mitwirken durfte, sondern auch, weil er ermöglicht, in ein bestimmtes Thema tiefer einzusteigen.

Der Titel der Sendung ist eigentlich ein wenig irreführend, weil viele der Beiträge von Umweltproblemen im weiteren Sinne handeln. Es wird sich zeigen, ob Sky News damit korrekt umgeht und zum Beispiel nicht behauptet, Plastikmüll sei ein großes Klimaproblem. Würde tatsächlich Klima als Synonym für Umwelt verwendet, wäre das problematisch, da die Verwirrung in der Bevölkerung in dieser Hinsicht sowieso schon groß ist. Fehlende Links zu wissenschaftlichen Quellen oder auch weitere Erklärungen im Glossar zur Sendung könnte man leicht ergänzen. Alles in allem: Die „Daily Climate Show“ ist sehr britisch, unterhaltsam und informativ – mit dem Potenzial richtig gut zu werden. 

 

 

Janine Steeger

Journalistin, Moderatorin, Speakerin und Medientrainerin

Ich bin total begeistert. Ein perfekter Mix aus Bewusstsein schaffen für die Probleme und dem Aufzeigen von Lösungen – und das alles unter Einbindung der Bevölkerung durch Befragungen, wie die Gesellschaft zu einzelnen Themen steht.

Zudem: Die Sendung wird moderiert von einer Frau. Insgesamt ist das Thema Diversity komplett mitgedacht. Aus Afrika erklärt uns eine schwarze Frau, wie der Kampf gegen Plastik funktioniert. Die Frau, die im Studio die Fakten zu den Befragungen liefert, ist nicht fernseh-dünn. Ich gewinne ja ständig den Eindruck, dass Klimaschutz in Deutschland – wie so vieles andere – ein männliches Thema ist, und auch unter Männern verhandelt wird.

 

Torsten Schäfer

Umweltjournalist, Buchautor und Professor für Journalismus an der Hochschule Darmstadt

Es ist ein Riesenschritt nach vorn, dass es nun ein solches TV-Format gibt – sowohl faktisch und auch erzählerisch mit seinen konstruktiven Geschichten. Die globale Perspektive gelingt sehr gut, und es wird klar eine Haltung eingenommen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Grundwerte medialen Handelns.

Es sind mir teils etwas viele Zahlen, die nebeneinanderstehen; das wirkt dann an manchen Stellen übertrieben. Sicher kann man auch an der Reihenfolge der Beiträge noch arbeiten, Stichwort Dramaturgie. Aber die Sendung ist interdisziplinär angelegt, eine echte Show mit eingeladenen Gästen – und hierzu zählen auch die eigenen Korrespondenten. Warum sollte das die ARD nicht ähnlich machen? Das deutsche TV kann sich da Vieles abschauen, toll insgesamt mit kleineren Abstrichen, aber es startet ja erst.

 

 

Lea Dohm

Psychologin und Psychotherapeutin, Mit-Gründern der Initiative "Psychologists For Future"

„The Daily Climate Show“ berichtet über Menschen und Zahlen, zeigt Opfer der Klimakrise und die Lösungssuche. Sie bietet somit einen Rundumschlag zu den Themen, die ab sofort ganz oben auf unser aller und insbesondere der medialen Agenda stehen sollten. Ein wichtiges und überfälliges Pilotprojekt! Im Nachrichtenstil gelingt es zumindest in Momenten, die Brisanz unserer Lage zu fassen und darzustellen. Zahlen wie die CO2-Konzentration in der Atmosphäre werden eingeordnet; die Sendung schließt jeweils mit der Darstellung von Initiativen, die Teil der Lösung sind – wichtige Merkmale erfolgreicher Klimakommunikation.

Es gibt Verbesserungsmöglichkeiten: Die Themen der „Daily Climate Show“ bieten nur wenig Berührungspunkte mit der Lebensalltäglichkeit vieler Menschen und drohen auf diese Weise als naturwissenschaftliches Problem stehenzubleiben, das vielleicht mit Innovationsgeist und Ingenieursleistung gelöst werden kann. Doch die journalistische Herausforderung, sämtliche gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen konsequent mit Blick auf deren Klimaauswirkungen einzuordnen, bliebe selbst bei einem 24-stündigen "Climate News Channel" bestehen. Um das Ausmaß der Krise zu begreifen und ihr gerecht zu werden, brauchen wir beharrliche und ressortübergreifende inhaltliche Verbindungen in allen Medien - auf Hauptsendeplätzen und Titelseiten!

 

 

Barbara Praetorius

Professorin für Umwelt- und Energieökonomie und -politik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin

Ich bin echt begeistert - eine tolle Mischung! Ein durchdachter, kompetenter Mix aus klaren nüchternen Informationen (Data Board und Umfragen), eindrucksvollen Blicken in besonders betroffene Regionen (Klimamigration aus dem mittelamerikanischen Trockengürtel) und inspirierenden Berichten über kreative Ideen und Lösungen (Nzambi Matee und ihre Plastik-Wiederverwertungsanlage in Nairobi). Und das Ganze unterfüttert mit Hintergrundinformationen auf der Website. Das ist meiner Meinung nach genau die richtige Rezeptur für ein "Klima vor Acht"-Format: die Folgen des Klimawandels zeigen und gleichzeitig optimistisch den Weg nach vorn zu weisen. Das Motto der Sendung ist: "We can slow it". 

Die Länge finde ich gerade noch gut - länger als zehn Minuten sollte es meiner Meinung nach nicht sein. Krass, dass ein privater Sender hier schneller ist als die öffentlich-rechtlichen Anstalten!

 

 

Gregor Hagedorn

Botaniker, Wissenschaftler am Museum für Naturkunde in Berlin und Mitgründer der deutschen "Scientists for Future"

Es ist beeindruckend mit welcher Konsequenz Sky News die  eigene bildlich und tonal laute Nachrichten-Bildsprache auch auf die scheinbar so trockenen wissenschaftlichen Themen anwendet. Egal ob es um die Zurechnung der Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen zum Klimawandel geht, um den CO2-Fußabdruck unseres Fleischkonsums oder Klimawirkungen im Gebäudebereich.

Die Relevanz ist da. Die Bilder sind da. Die sprechfähigen Wissenschaftler:innen (etwa die wunderbare Friederike Otto) sind da. Die Journalist:innen stehen auch in Deutschland bereit, um als Klimakorrespondent:in von ARD, ZDF, RTL, SAT1 etc. aktuelle Nachrichten zu vermitteln und die Hintergründe verständlich zu machen. Man mag sich am Ton von Sky News stören - aber allein die Bildsprache macht verständlich: Die Zukunft zu sichern ist DAS Kernthema von Politik und gesellschaftlicher Debatte.

Die „Daily Climate Show“ von Sky News ist gut. Gut geplant, fachlich gut beraten, von hervorragenden Journalist:innen umgesetzt. Ich habe selbst in den letzten Tagen einiges neu gelernt. Und vor allem scheint mir, dass dieses Format zugänglich und hilfreich ist für Menschen, die sich nicht zur Klima- und Nachhaltigkeitsbewegung rechnen. Wir alle tragen Verantwortung, mit unseren Möglichkeiten zur Lösung beizutragen. Sky News hat die Herausforderung angenommen und ein Glanzstück hingelegt. RTL beginnt in wenigen Tagen mit der Klimaberichterstattung. Wo bleiben ARD und ZDF?

Fotos (von oben): University of Oxford, Nadine Dilly, Sandor Rapolder, Lea Dohm, HTW Berlin/Alexander Rentsch, WikimediaCommons, Ralf Roletschek/Roletschek.at;
Transparenzhinweis: Friederike Otto ist auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von klimafakten.de

In einer früheren Version dieses Textes stand, Sky News gehöre zum Murdoch-Konzern - dies stimmt seit dem Verkauf der Sendergruppe 2018 an Comcast nicht mehr.