Was er für den Tourismus bedeutet
Kernergebnisse
-
1 Die Tourismusbranche ist von zahlreichen direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels betroffen.
Der Meeresspiegelanstieg und die Versauerung der Ozeane werden die touristische Infrastruktur an den Küsten sowie natürliche touristische Attraktionen gefährden. Steigende Temperaturen werden die Wintersportsaison verkürzen und die Rentabilität einiger Skiorte bedrohen. Der Klimawandel wird die Artenvielfalt beeinträchtigen – mit Folgen für den Naturtourismus. Veränderte Niederschlagsmuster werden sich auf die Verfügbarkeit von Wasser auswirken.
-
2 Zwar gibt es Möglichkeiten, sich dem veränderten Klima anzupassen – doch viele davon werden wahrscheinlich zusätzliche Kosten verursachen und nur kurzzeitig Abhilfe schaffen.
Gefährdete Standorte können in Infrastrukturen investieren, die widerstandsfähiger für die Folgen des Klimawandels sind. Wintersportanbieter können Schneekanonen einsetzen, in größere Höhen ausweichen oder sich als Ganzjahresreiseziele vermarkten. Doch bei hohen Emissionen von Treibhausgasen und damit einer starken Erwärmung ist es fraglich, ob eine Anpassung überhaupt möglich ist.
-
3 Der Anteil des Tourismus am weltweiten Treibhausgasausstoß wächst.
Zwischen 3,9 und 6 Prozent der menschengemachten CO2-Emissionen gehen verschiedenen Berechnungen zufolge auf den Tourismus zurück, wobei 4,9 Prozent als beste Schätzung gilt. Im Zuge des weltweit zunehmenden Wohlstands ist zu erwarten, dass die Reisebranche um durchschnittlich vier Prozent pro Jahr wachsen und in zehn Jahren rund ein Zehntel der weltweiten Wirtschaftsleistung ausmachen wird. Projektionen zufolge werden die tourismusbedingten Emissionen zwischen 2005 und 2035 um 130 Prozent zunehmen, sich also mehr als verdoppeln.
-
4 Es ist ziemlich ungewiss, wie Touristen auf den Klimawandel reagieren werden.
Die wahrscheinlichen Folgen des Klimawandels und mögliche Veränderungen der Reisenachfrage sind in der Forschung sehr detailliert beschrieben. Für touristische Ziele wie auch Betriebe werden diese Veränderungen wahrscheinlich neue Chancen eröffnen. Doch allgemeingültige Schlussfolgerungen lassen sich nur schwer ziehen.
Infografik
Zusammenfassung
Die Tourismusbranche gehört zu den größten Wirtschaftssektoren der Welt: Auf sie entfallen rund neun Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Sie erzielt mehr als sechs Billionen US-Dollar Umsatz pro Jahr und bietet mehr als 255 Millionen Menschen eine Existenzgrundlage. Für einige der weltweit ärmsten Länder ist der Tourismus besonders wichtig, vor allem für manche kleine Inselstaaten.
Die Branche ist mit schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert, die sich bereits heute bemerkbar machen. Mit dem Temperaturanstieg werden viele Reiseziele an Attraktivität verlieren. An manchen Orten wird es schwieriger, Wintersport zu treiben. Der Küstentourismus ist extrem verwundbar durch den Anstieg der Meeresspiegel. Natürliche Anziehungspunkte, für die Millionen von Touristen teils weite Reisen unternehmen – Korallenriffe, Wälder und tierreiche Savannen –, werden geschädigt oder zerstört werden.
Daneben sieht sich die Branche allgemeineren Auswirkungen gegenüber: beispielsweise teureren Versicherungen (aufgrund extremeren Wetters), Wassermangel, geringerer Ernährungssicherheit sowie vermehrten Konflikten an manchen Destinationen.
In begrenztem Umfang wird der Klimawandel auch positive Auswirkungen haben. Die Temperaturveränderungen werden neue Regionen für manche Touristen attraktiver machen, und es werden sich Chancen auftun für neue Arten des Tourismus. Zudem gibt es Möglichkeiten, sich dem veränderten Klima anzupassen. Doch die neuen Geschäftsgelegenheiten werden wahrscheinlich kurzlebig sein, und die Möglichkeiten zur Klimaanpassung sind begrenzt. Mehr noch, viele potenzielle Anpassungsmaßnahmen dürften später in diesem Jahrhundert vom Klimawandel ”überholt“ werden – insbesondere bei hohen Treibhausgasemissionen.
(Politische) Maßnahmen zur Minderung des Treibhausgasausstoßes werden die Tourismuswirtschaft direkt betreffen – erst recht angesichts des starken Wachstums ihrer Emissionen. 95 Prozent der Emissionen sind auf Verkehr und Gebäude zurückzuführen. Daher sind diese zwei Bereiche maßgeblich für das Klimaschutzpotenzial der Branche.
Folgen des Klimawandels
Die Tourismusbranche ist den direkten physischen Folgen des Klimawandels – etwa dem Anstieg von Temperaturen und Meeresspiegeln – in einem Maße ausgesetzt wie wenige andere Branchen. Zudem wird sie durch indirekte Folgen bedroht, beispielsweise eine veränderte Verfügbarkeit von Wasser oder die Ausbreitung mancher Krankheiten. Wahrscheinlich gibt es aber auch einige positive Auswirkungen. So dürften manche Regionen attraktiver für Reisende werden. Und mancherorts könnte es einen ”Abschiedstourismus“ geben, also Besuche von Attraktionen, die infolge des Klimawandels verschwinden werden.
Küstentourismus ist weltweit das wichtigste Branchensegment: Mehr als 60 Prozent aller Europäer entscheiden sich für Urlaub am Strand, und die US-Reisebranche erzielt 80 Prozent ihres Umsatzes in diesem Bereich. Zugleich ist der Küstentourismus besonders von den Folgen des Klimawandels für die Ozeane betroffen.
Der Anstieg der Meeresspiegel wird sich tiefgreifend und vielfältig auf den Küstentourismus auswirken. Touristische Infrastrukturen und Attraktionen (etwa Strände) werden fortgespült oder überflutet. Zum Beispiel liegt fast ein Drittel aller karibischen Ferienorte weniger als einen Meter über dem Höchstpegel der Gezeiten. Bei einem Meeresspiegelanstieg um einen Meter würden in dieser Region folglich 49 bis 60 Prozent der Ferienanlagen beschädigt, 21 Flughäfen zerstört oder beschädigt und die Landflächen rund um 35 Häfen überschwemmt.
Schätzungen zufolge wird allein der Wiederaufbau von Ferienorten in der Karibik bis 2050 zehn bis 23,3 Milliarden US-Dollar kosten. Höhere Meeresspiegel und stärkere Sturmfluten werden zudem die Erosion von Stränden, Dünen und Klippen beschleunigen. Studien zu den Inseln Martinique, Barbados und Bonaire haben ergeben, dass die Attraktivität von Reisezielen sinkt, wenn die Strände in Mitleidenschaft gezogen werden. Erodierte Strände könnten die Anbieter von Unterkünften zwingen, ihre Preise zu senken.
Erwärmung und Versauerung der Meere beeinträchtigen Lebensräume und Organismen in den Ozeanen. Besonders bedroht sind Korallenriffe. Dabei sind sie mit ihrer besonderen Tier- und Pflanzenwelt wichtige touristische Attraktionen. Sie tragen jährlich mit 11,5 Milliarden US-Dollar zu den weltweiten Umsätzen der Tourismusbranche bei. Mehr als hundert Staaten profitieren vom Erholungswert ihrer Korallenriffe. Steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre, nehmen die Weltmeere mehr CO2 auf – der pH-Wert des Meerwassers sinkt, die Ozeane versauern.
Dies führt dazu, dass im Meerwasser weniger Calciumcarbonat verfügbar ist, das von riffbildenden Korallen zum Aufbau ihrer Kalkschalen benötigt wird. Korallenriffe reagieren außerdem empfindlich auf höhere Temperaturen. Diese können zu Korallenbleichen und einem teilweise Absterben der Korallen führen. Tauchtouristen (insbesondere erfahrenere Taucher) könnten das Interesse an den betroffenen Gebieten verlieren. Doch nicht alle Touristen bemerken solche Schäden, und die wirtschaftlichen Folgen sind unklar.
Untersuchungen zufolge ist in Australien, der Karibik und anderen kleinen Inselstaaten bei einer Erderwärmung von mindestens 2 °C bis zur zweiten Jahrhunderthälfte wegen einer Beschädigung der Riffe mit schwerwiegenden Konsequenzen für den Tourismus zu rechnen. In manchen Regionen werden bis Mitte des Jahrhunderts korallenreiche Riffe (solche mit Korallenbedeckung von mehr als 30 Prozent) sehr wahrscheinlich verschwinden.
Steigende Temperaturen könnten vielfältige Auswirkungen auf die Tourismusbranche haben:
- Eine Erwärmung würde die Zahl ”schneesicherer“ Wintersportgebiete (vor allem in tieferen Lagen) verringern und die Skisaison verkürzen. Unregelmäßige Schneefälle, zurückgehende Gletscher und mildere Winter haben die Besucherzahlen in europäischen und nordamerikanischen Gebieten bereits sinken lassen.
- Infolge steigender Temperaturen wandern Tier- und Pflanzenarten polwärts und in höhere Lagen, sofern möglich. Für den Naturtourismus, etwa die Anbieter von Safaris, könnte dies ernste Folgen haben, weil Schutzgebiete zunehmend geografisch abgeschlossen sind und Tiere kaum mitwandern können. In den afrikanischen Nationalparks südlich der Sahara werden bis 2080 wahrscheinlich bis zu 40 Prozent der Arten bedroht sein, sofern sie nicht migrieren können. Negative Folgen sind beispielsweise auch für den Weintourismus möglich, weil die Eignung der meisten heutigen Weinanbaugebiete für den Weinbau infolge der Erderwärmung sinken dürfte.
- In Teilen der Welt wird mit häufigeren und größeren Waldbränden gerechnet. In Südeuropa zum Beispiel könnte sich die Waldbrandsaison verlängern und die Zahl der Tage mit hoher Waldbrandgefahr zunehmen. In Nordeuropa hingegen wird die zunehmende Feuchtigkeit voraussichtlich die Zahl der Waldbrände verringern. In Nordamerika haben schwere Dürren und Schädlingsbefall zu einem Waldsterben beigetragen, die Häufigkeit und Dauer von Buschfeuern hat zugenommen.
- Vor allem im Sommer könnte es zum Ende des Jahrhunderts in Gegenden im Mittelmeerraum zu heiß werden für Tourismus. Allerdings haben Studien ergeben, dass sich Strandtouristen weniger von hohen Temperaturen als von Regen abschrecken lassen.
- Die Einnahmen armer Länder dürften sinken, wenn die Touristenströme aus kalten, reichen Ländern in warme, ärmere Länder abflauen, weil nähergelegene Reiseziele attraktiver werden.
- Es besteht das Risiko, dass der Klimawandel bestimmte Ferienorte, Hotels etc. unbenutzbar macht. Sie könnten zu Fehlinvestitionen werden und Betreibern wie Investoren Verluste einbringen.
Projektionen zufolge wird der Klimawandel die Niederschläge in einigen bereits heute trockenen Regionen der Welt verringern. Wasserknappheit ist an vielen Reisezielen schon derzeit ein Problem, besonders auf kleinen Inseln ist die Verfügbarkeit oft begrenzt. Wenn Menge oder Qualität des Wassers sinken, kann das negative Konsequenzen für Tourismusanbieter haben.
Der Klimawandel könnte die Wasserverfügbarkeit auf dreierlei Weise beeinflussen: durch das Schmelzen von Gebirgsgletschern; durch veränderte Niederschlags- und Verdunstungsmuster; durch steigende Meeresspiegel und damit verbundene Versalzung von Grundwasser. Ein erhöhter Wasserbedarf auch in der Landwirtschaft und in anderen Branchen könnte dazu führen, dass die Konkurrenz zwischen dem Tourismus und etablierteren Wassernutzern zunimmt.
Wie viele andere Branchen ist auch der Tourismus anfällig für Extremwetterereignisse, deren Zahl mit dem Klimawandel zunehmen wird. Besonders groß ist das Risiko für den Küstentourismus. Schwere Stürme mit entsprechendem Wind, Wellengang, Regen und Sturmfluten können den Verkehr oder die Strom- und Wasserversorgung unterbrechen, von denen auch der Tourismus abhängig ist. Die Zunahme von Häufigkeit und Schwere der Wetterextreme könnte zu steigenden Versicherungsprämien führen, wenn die Versicherer auf die größeren Schäden reagieren.
Wo das Risiko bestimmte Schwellen überschreitet, werden keine Versicherungen mehr angeboten oder die Prämien so teuer werden, dass sie für die Betroffenen unerschwinglich sind. Dies könnte schwerwiegende Folgen für Tourismusbetriebe haben, vor allem in Küstengebieten. ärmere Länder sind tendenziell stärker anfällig für die Folgen von Wetterextremen und weniger in der Lage, sich anzupassen. Demzufolge wird die Tourismusbranche in diesen Ländern, soweit sie sich auf die lokale Infrastruktur verlässt, verwundbarer sein als jene in reicheren Ländern. Studien zu Dauerregen auf Martinique und zu Hurrikanen auf Anguilla haben beispielsweise gezeigt, dass Wetterextreme einen Einfluss darauf haben, wie Besucher die Attraktivität bestimmter Reiseziele einschätzen.
Der Klimawandel wird sich auf die menschliche Gesundheit und Sicherheit auswirken, am stärksten bei jenen Teilen der Bevölkerung, die bereits heute anfällig sind für klimabedingte Gesundheitsprobleme wie Unterernährung oder Erkrankungen, die über Lebensmittel oder Wasser übertragen werden. In manchen Teilen der Welt gefährdet der Klimawandel bereits heute die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser, und diese Entwicklung dürfte sich noch verstärken.
Er hat das Potenzial, die Gesellschaften in instabilen oder weniger entwickelten Ländern zu überfordern. Tourismusbetriebe – vor allem in ärmeren Weltgegenden – müssen mit mehr Unsicherheit und sozialen Unruhen rechnen, die aus klimabedingten Bedrohungen von Gesundheit, Lebensmittel- und Wasserversorgung resultieren.
Der Klimawandel könnte auch einige positive Folgen für den Tourismus haben, zumindest kurz- bis mittelfristig. So werden wahrscheinlich neue Regionen infolge steigender Temperaturen attraktiver für Reisende, etwa Nordeuropa, Skandinavien oder Alaska. Auch gibt es Hinweise darauf, dass Touristen gezielt Regionen und Naturattraktionen besuchen, die durch die Erwärmung bedroht sind – etwa Gletscher, die Antarktis oder niedrigliegende Inseln. Sicherlich wird der Rückgang des Meereises rund um den Nordpol die ohnehin rasche Zunahme von Kreuzfahrten in der Arktis verstärken. Doch sind Geschäftschancen durch diesen ”Abschiedstourismus“ naturgemäß von kurzer Dauer.
Möglichkeiten der Anpassung
Wegen der kurzen Investitionszyklen, des hohen Anteils menschlicher Arbeit an der Wertschöpfung und der Möglichkeit, auf andere Reiseziele auszuweichen, ist die Fähigkeit zur Klimaanpassung bei Unternehmen in der Tourismusbranche vergleichsweise hoch. Hingegen werden Reiseziele, die von anfälligen Naturgütern leben und keine Möglichkeit der Diversifizierung haben, stärker in Mitleidenschaft gezogen. Zur Unterstützung der Anpassung an die Folgen des Klimawandels gibt es eine Reihe von Möglichkeiten:
Verlagerungen
Wenn manche Regionen (etwa am Mittelmeer) durch die steigenden Temperaturen weniger attraktiv für Touristen werden, können Reiseanbieter ihre Ziele polwärts verlagern. Es ist davon auszugehen, dass Nordeuropa bei Touristen an Beliebtheit gewinnt. Zumindest in einigen Wintersportregionen ist es möglich, durch die Verlagerung in höhere Gebiete auf die Erderwärmung zu reagieren.
Saisonale oder technische Anpassung
Orte in den Bergen können sich als Ganzjahresreiseziele vermarkten, Badeorte stärker auf die Nebensaison statt den Hochsommer als beste Reisezeit setzen (wie es beispielsweise die spanische Region Costa Brava bereits tut). Die Stabilität der Küsten lässt sich durch den Schutz von ökosystemen verbessern, etwa von Mangrovenwäldern, Salzwiesen und Korallenriffen. Strände können künstlich wiederaufgeschüttet werden. Kleine Inseln mit Wasserknappheit können in Meerwasserentsalzungsanlagen investieren. Auch kann der Wasserverbrauch verringert werden. Skiorte können Schneekanonen einsetzen.
Doch möglicherweise schaffen solche Maßnahmen nur kurzfristig Abhilfe und entfalten schädliche Nebenwirkungen – etwa durch Mehrverbrauch fossiler Brennstoffe, was den Klimawandel noch beschleunigen würde. Zudem haben die beschriebenen Optionen Grenzen: Wasserentsalzung ist teuer und energieintensiv. Genügend Sand für das Wiederaufschütten von Stränden zu beschaffen, wird zunehmend schwieriger. Wintersportler bevorzugen echten Schnee, und Schneekanonen sind teuer, verbrauchen viel Wasser und Energie und eignen sich nicht für kleine Skigebiete. Zudem helfen sie umso weniger, je weiter die Temperaturen steigen. Einer Studie zufolge können dank Kunstschnee bis 2030 zehn von 14 Skigebieten in Nordamerika weiter als schneesicher gelten, bis Ende des Jahrhunderts jedoch sinkt die Zahl auf vier von 14. Problematisch ist auch, dass Urlauber keine ”künstlichen Küsten“ mögen. Deshalb machen sogenannte ”harte“ Küstenschutzmaßnahmen gegen den Meeresspiegelanstieg, etwa Molen, ein Reiseziel weniger attraktiv für Touristen.
Prävention
Würden (Langfrist-)Vorhersagen und Frühwarnsysteme stärker genutzt, könnten Gefahren für den Tourismus und für natürliche ökosysteme besser und früher erkannt werden. So ließe sich das Risiko von Fehlinvestitionen und finanziellen Verlusten senken.
Trotz aller Anpassungsmöglichkeiten werden sich die negativen Folgen des Klimawandels nicht vollständig ausgleichen lassen. Und je stärker die Erderwärmung ausfällt, desto weniger wird eine Anpassung gelingen. Doch ist davon auszugehen, dass der Tourismus trotz Klimawandel weiter gedeihen kann, sofern die Anpassung gut geplant wird.
Optionen zur Emissionsminderung
Zwar ist der Anteil des Tourismus an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen kleiner als sein Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung, trotzdem ist der Tourismus in Teilen eine energieintensive Branche. Die Kunden reisen oft weite Strecken und nutzen Verkehrsmittel mit hohem Schadstoffausstoß. In Entwicklungsländern verursachen Touristen tendenziell höhere CO2-Emissionen als die lokale Bevölkerung.
Weil die Tourismusbranche merklich zum weltweiten Treibhausgasausstoß beiträgt, dürften auch von ihr Emissionssenkungen erwartet werden, wenn sich die Staaten auf Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 2 °C einigen. Angesichts des projizierten starken Wachstums der Tourismuswirtschaft wird sich dieser Druck noch erhöhen.
In einem ”Business-as-usual”-Szenario (also ohne Klimaschutzmaßnahmen) würden die Gesamtemissionen der Branche zwischen 2005 und 2035 um 130 Prozent zunehmen, bei Flugreisen und den Unterkünften wäre der Anstieg mit einer Verdreifachung besonders groß. Bei unbegrenztem Wachstum würde, Studien zufolge, allein schon die Tourismuswirtschaft in manchen Ländern (etwa Großbritannien) bis 2050 das ganze ”CO2-Budget“ aufbrauchen, das bei einer am Zwei-Grad-Limit ausgerichteten Entwicklung insgesamt für dieses Land zur Verfügung stünde.
Der Druck auf die Tourismusbranche, ihre Emissionen zu mindern, wird wahrscheinlich zu mehr Effizienz und damit auch zu gewissen Kostensenkungen führen. Im Großen und Ganzen jedoch werden Klimaschutzmaßnahmen mit zusätzlichen Kosten verbunden sein. Während Gebäude für rund 20 Prozent der Klimaschäden durch den Tourismus verantwortlich sind, entfallen 75 Prozent auf die mit ihm verbundene Verkehrsströme– und die Kosten für Emissionsminderungen im Transportsektor gehören zu den höchsten.
Gebäude
Sowohl bestehende als auch neue Bauten haben ein großes Energiesparpotenzial. Mit bekannten und erprobten Technologien kann bei Neubauten oder Sanie- rungen ein Niedrig- oder gar Nullenergiestandard erreicht werden. In der Regel amortisieren sich derartige Investitionen während der Lebensdauer der Gebäude deutlich. Grundsanierungen von Altbauten können Energieeinsparungen von 50 bis 90 Prozent erbringen.
Für Emissionsminderungen im Gebäudebereich gibt es vier Strategien: festinstallierte Anlagen für Erneuerbare Energien, etwa für die Nutzung von Solarenergie; energieeffiziente Beleuchtung, Heizung, Kühlung und sonstige Geräte; höhere Systemeffizienz, etwa durch Bauvorschriften und -normen, kluge Stadtplanung usw.; änderungen beim Verhalten und Lebensstil. Diese Strategien gelten übrigens nicht nur für den Tourismussektor.
Verkehr
Was an Emissionsminderungen im Tourismus erreicht wird, hängt in hohem Maße davon ab, welche Effizienzverbesserungen im Verkehrssektor gelingen. Dort sind in einigen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen:
Effizientere Fahrzeuge
Verbrennungsmotoren und Düsentriebwerke werden immer sparsamer. Bis 2035 werden 40- bis 70-prozentige Verbesserungen der Kraftstoffeffizienz von PKW und Kleinlastwagen im Vergleich zu heute erwartet. Neue Flugzeuge sind dank besserer Triebwerke, reduziertem Gewicht und verbessertem Design im Vergleich zu Vorgängermodellen in der Regel 20 bis 30 Prozent sparsamer. Zwischen 2030 und 2050, so Projektionen, sind weitere Effizienzgewinne von 40 bis 50 Prozent (verglichen mit 2005) möglich.
Alternative Kraftstoffe
Fluggesellschaften experimentieren mit Agrokraftstoffen. Im Vergleich zu fossilem Kerosin könnten diese den direkten CO2-Ausstoß um 30 bis 90 Prozent mindern. Bei Straßenfahrzeugen, die Touristen für die Anreise oder während ihres Aufenthalts nutzen, können die Emissionen durch einen Umstieg auf Elektro- oder Wasserstoff-Autos drastisch reduziert werden.
Betriebliche Verbesserungen
Die CO2-Emissionen des Luftverkehrs lassen sich durch direktere Flugrouten, optimale Flughöhen und -geschwindigkeiten sowie die Verringerung von Warteschleifen vor der Landung senken.
Die Emissionen können weiter gesenkt werden, wenn Verkehr von der Straße und aus der Luft auf die Schiene verlagert wird. Dies bringt besonders viel, wenn die Stromversorgung der Bahn nicht auf fossilen Energieträgern basiert.
Ein anderer Lebensstil ist nötig
Durch verbesserte Brennstoffeffizienz (etwa sparsamere Flugzeuge) oder andere technologische Fortschritte sind Emissionsminderungen erreichbar – doch es wird erwartet, dass sie durch das Wachstum der Tourismusbranche aufgezehrt werden. Deshalb werden wahrscheinlich starke politische Maßnahmen erforderlich sein, vor allem wenn es um das Nutzerverhalten bei der Personenbeförderung geht. Beim Flugverkehr zum Beispiel, so der IPCC, wäre „ein starkes Preissignal nötig“, um Energieverbrauch und Emissionen zu senken.
Veränderungen im Lebensstil dürften daher bei den Bemühungen um Emissionssenkungen im Tourismusbereich ein wichtiger Aspekt sein. Eine mögliche Änderung wäre, dass die Nachfrage nach Fernreisen zugunsten nähergelegener Reiseziele zurückgeht.
Die Emissionen der Tourismusbranche konzentrieren sich auf relativ klar umrissene Bereiche: So verursachte der Luftverkehr im Jahr 2005 43 Prozent der tourismusbedingten Emissionen, obwohl nur 17 Prozent der Reisen mit dem Flugzeug erfolgten. Auch Kreuzfahrten sind tendenziell mit hohem Treibhausgasausstoß verbunden. Eine Verringerung der Nachfrage in einigen kleinen Bereichen der Branche könnte sich somit stark auf die Gesamtemissionen auswirken.
Fazit
Die Tourismusbranche bewegt sich auf einem Feld mit großen Unsicherheiten. Zwar ist umfangreiche wissenschaftliche Literatur verfügbar (vor allem zu den Auswirkungen des Klimawandels), doch die vorliegenden Studien zum Verhalten von Touristen differieren stark und widersprechen sich oft. Dies macht es schwer, allgemeingültige Schlussfolgerungen zu ziehen.
Außerdem tendieren die Studien dazu, Projektionen zum wahrscheinlichen Verhalten von Touristen aufzustellen, statt tatsächliche Reaktionen (etwa bei der Beurteilung der Attraktivität bestimmter Reiseziele) zu untersuchen. Zu den Folgen des Klimawandels für Städtereisen gibt es wenige Studien, dasselbe gilt für die ökonomischen Auswirkungen auf die gesamte Branche.
Die Forschung kommt zu dem Ergebnis, dass Tourismusanbieter sich insgesamt relativ wenig um den Klimawandel sorgen: Entweder glauben sie nicht, dass er real ist. Oder sie meinen, sie könnten sich leicht anpassen. Oder aber sie halten die Ungewissheiten rund um den Klimawandel für zu groß, als dass frühe Investitionen in Anpassungsmaßnahmen sinnvoll wären.
Bislang hat kein Land eine Strategie für eine emissionsarme Tourismuswirtschaft entwickelt. Daher muss die Branche selbst einen Weg finden, wie sie – trotz großer Unsicherheiten – mit dem Klimawandel umgeht.
Die Erderwärmung wird nicht alle Sparten des Tourismus gleichmäßig betreffen. Veranstalter von Städtereisen zum Beispiel werden weniger verwundbar sein als Anbieter von Strandtourismus. Pilgerreisen, Familienbesuche und Spieltourismus werden weniger betroffen sein als Safaris, Tauch- oder Angeltourismus. Wenn die Temperaturen steigen, wird sich die Attraktivität verschiedener Reiseziele für Touristen verändern.
Gleichzeitig animiert der Klimawandel bereits jetzt zum Besuch gefährdeter Naturattraktionen wie Gletscher, die vom Verschwinden bedroht sind (”last chance tourism“). Manche Teile der Welt werden empfindlicher auf die Erderwärmung reagieren als andere. Zudem wird der Klimawandel auch Chancen schaffen: Neue Regionen und Arten des Tourismus werden für die Touristen interessanter.
Doch dürften diese Chancen von kurzer Dauer sein – und mehr als aufgezehrt werden durch die negativen Auswirkungen. Diese beginnt die Branche bereits heute zu spüren , in Form häufigerer Extremwetterereignisse, steigender Meeres- spiegel, schwindender Schneesicherheit in Skigebieten usw.
Der Fünfte Sachstandsbericht des IPCC zeigt: Der Klimawandel wird mit Sicherheit ernste Folgen für die Tourismuswirtschaft haben. Und weil die Branche mit ihren Emissionen signifikant zur Erderwärmung beiträgt, wird sie wahrscheinlich auch einen bedeutenden Anteil an den weltweit notwendigen Emissionsminderungen erbringen müssen.