Christoph Runst, 27, ist seit vergangenem Jahr Klimaschutzmanager der Stadt Leipzig. Zuvor beriet der studierte Energietechniker Unternehmen in Sachen Energieeffizienz und Klimaschutz. Im Leipziger Umweltamt arbeitet er mit einem Team von vier bis fünf Kollegen am Thema Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.

Herr Runst, wie fühlt es sich an, Klimaschutzmanager in einer Stadt zu sein, die von Kohle-Tagebauen de facto umzingelt is?

Als ich den Job anfing, war mir das nicht so klar: Das Braunkohlekraftwerk Lippendorf steht etwas außerhalb von Leipzig und liefert der Stadt Fernwärme. Bis zum Kohleausstieg, der von der Bundespolitik diskutiert wird, will ich zusammen mit meinem Team neue Konzepte anstoßen und entwickeln. Wir wollen einen ökologisch sinnvollen Ersatz für die Kohle finden.

Der Strukturbruch in der ostdeutschen Braunkohlewirtschaft nach dem Ende der DDR hat die Region geprägt: Viele fühlten sich ihrer Identität beraubt. Spielt die Kohle-Tradition im öffentlichen Bewusstsein heute noch eine Rolle?

Die Energiegewinnung aus Kohle hat in unserer Region ebenso wie in der Lausitz eine gewisse Tradition. Sicherlich gibt es auch in Leipzig immer noch viele Menschen, die sie für eine gute Sache halten. Begründet wird das meist mit der Versorgungssicherheit und stabilen Preisen. Wir verstehen uns als Impulsgeber für eine schrittweise, aber zügige Ablösung der Kohle; neben der schlechten CO2-Bilanz sehen wir auch die mit den Tagebauen verbundenen Umsiedlungen sehr kritisch. Aber trotzdem müssen wir in Diskussionen sehr feinfühlig vorgehen. Ein solcher Strukturwandel ist nicht von heute auf morgen zu schaffen ...

... und verursacht konkrete Ängste um Arbeitsplätze. Werden Sie als Klimaschutzbeauftragter manchmal angefeindet?

Nein, bislang nicht. Die Stelle des Klimamanagers wurde durch den Leipziger Stadtrat genehmigt – insofern habe ich in den Augen vieler schon eine gewisse Legitimität. Um die Akzeptanz möglichst vieler Menschen zu gewinnen, muss der Umbau der Energieversorgung möglichst ohne den Verlust von Arbeitsplätzen und wirtschaftlich tragbar gestaltet werden.

Ich bin da zuversichtlich: In Leipzig haben sich Unternehmen angesiedelt, die im Bereich der erneuerbaren Energien oder der nachhaltigen Entwicklung tätig sind und so neue Arbeitsplätze schaffen. Außerdem sinken die Kosten für erneuerbare Energien, insbesondere wenn man andererseits die enormen Kosten für die Renaturierung der ehemaligen Tagebaue auf die Kohleverstromung aufschlägt.

Wie groß ist denn in Leipzig die Akzeptanz für den Klimaschutz, und welche Gruppen sind schwerer von der Energiewende zu überzeugen?

Bei vielen Leipzigern hat bereits ein Umdenken stattgefunden. Viele Menschen in der Region verbinden die Kohle-Tradition inzwischen mit der Entwicklung der Seen-Landschaft und dem aufkommenden Tourismus südlich von Leipzig. Auch ist die Lobbyarbeit der Kohleindustrie nicht mehr so stark wie noch vor einigen Jahren.

"Bei vielen Leipzigern
hat bereits ein Umdenken stattgefunden"

Gerade bei jungen Leuten und einkommensstarken Schichten in der Altersklasse zwischen 30 und 50 Jahren wurde schon viel erreicht. Leipzig ist eine Universitätsstadt und bekommt viel Zuzug von gut Ausgebildeten. Hier fällt es leicht, die Leute zum Mitmachen zu bewegen. Schwierigkeiten sehe ich eher bei Älteren – da spielen die DDR-Kohletradition, aber auch eine allgemeine Skepsis gegenüber Klimathemen eher eine Rolle.

Wie genau sieht es aus, wenn Sie im Alltag mit Kohlebefürwortern aneinandergeraten? Und wie gehen Sie dann vor?

Solche Diskussionen ergeben sich auf Veranstaltungen. Es ist ein längerer Prozess, die Leute zu überzeugen. Ich versuche deshalb ruhig und mit guten Argumenten zu vermitteln, warum der Klimaschutz wichtig ist. Man muss den Menschen zeigen, dass es dabei nicht nur ums Klima geht. Die Energiewende hat für den Bürger und die Region auch wirtschaftliche Vorteile, beispielsweise durch eine dezentralere Organisation und die Möglichkeiten zur Mitbestimmung. Nicht nur die Kohle ist heimisch. Die Erneuerbaren sind eine saubere lokale Energiequelle, die nicht extra zugekauft werden muss – das ist auf Gemeindeebene ein wichtiges Argument.

In Sachsen ist die "Alternative für Deutschland" sehr stark, die in ihrem neuen Grundsatzprogramm den menschengemachten Klimawandel negiert. Hatten Sie schon ernste Auseinandersetzungen mit Leuten, die den menschengemachten Klimawandel bestreiten?

Nein, bisher haben das Team und ich noch keine großen Erfahrungen mit solchen Menschen gemacht. Sicher gibt es immer Leute, die den Klimaschutz und die Energiewende kritisch sehen – aber ich habe noch niemanden getroffen, der ernsthaft behauptet hat, den Klimawandel gebe es nicht. Wir hoffen natürlich, dass Parteien mit solchen Positionen bei den nächsten Wahlen in Leipzig kein Oberwasser bekommen – sonst würde das unsere Arbeit sicher gefährden oder auf jeden Fall viel schwerer machen.

Was genau machen Sie in ihrer täglichen Arbeit als Klimaschutzmanager?

Meine Kollegen und ich setzen das Energie- und Klimaschutzprogramm der Stadt um. Es besteht aus mehr als hundert Klimaschutz-Maßnahmen und wurde 2014 verbindlich vom Stadtrat beschlossen. Das ist mein Handlungswerkzeug – in dem Programm sindunter anderem die Handlungsschritte, Kosten und Zuständigkeiten festgelegt. Gemeinsam versuchen wir im Team, diese Maßnahmen so gut wie möglich umzusetzen. Dass es dabei auch immer mal zu Konflikten kommt, ist klar. Deshalb ist mein Kalender gespickt mit Terminen, in denen wir auf Leute zugehen und versuchen, den Nachhaltigkeitsgedanken in Entscheidungsprozesse zu tragen.

"Ich habe noch niemanden getroffen,
der ernsthaft behauptet hat,
den Klimawandel gäbe es nicht"

Gerade arbeiten wir zum Beispiel an der Umsetzung eines Kommunikationskonzeptes. Hier haben wir genau überlegt, mit welchen Mitteln man Klimaschutz mehr in die Öffentlichkeit tragen kann – und entstanden ist ein ganzes Paket an Broschüren, Plakaten und Veranstaltungen. Meine Aufgaben reichen bis hin zur Logoentwicklung. Zudem bauen wir gerade eine Klimaschutzleitstelle auf, die Themen des Klimaschutzes in der Stadt Leipzig bündeln soll: Dort wollen wir einen zentralen Anlaufpunkt für Bürger und Unternehmen schaffen, der zum Beispiel über die vielfältigen Beratungsangebote informiert, den Weg zu den richtigen Ansprechpartnern in der Verwaltung weist, Investoren zu nachhaltigem Bauen motiviert, selbst zur Vernetzung relevanter Akteure beiträgt und vieles mehr.

Wieviel Zeit verbringen Sie damit, den Leipzigern direkt den Klimaschutz nahezubringen?

Leider noch viel zu wenig. Derzeit macht das nicht mehr als ein Viertel unserer Arbeit aus. Ich hoffe, dass wir diesen Anteil steigern können. Wir sind viel in der Stadtverwaltung unterwegs, da beim Klimaschutz eine Vielzahl von Ämtern einzubeziehen sind, was das Handeln manchmal verlangsamt.

Ärgert es Sie manchmal, dass es langsam vorangeht?

Die Zusammenarbeit in der Stadt ist eigentlich sehr gut. Aber uns kann es natürlich nicht schnell genug gehen – vor allem angesichts der Fülle an Aufgaben. Und ja: Es gibt es immer Kommunen, die beim Klimaschutz noch effektiver arbeiten – einfach, weil dort mehr Kapazitäten vorhanden sind.

Braucht man für Ihre Arbeit Visionen?

Ich selbst lebe den Klimaschutz im Alltag und gehe ganz in meiner Arbeit auf. Wichtig ist, dass man selbst die richtige Einstellung mitbringt. Erst dadurch lassen sich Menschen überzeugen.

Dabei bin ich erst spät zu dem Thema gekommen: Ich habe Energietechnik studiert – und dort hat man uns noch gelehrt, wie effizient Kohlekraftwerke seien. Dann habe ich mich intensiver mit den Themen Energie und Klimaschutz beschäftigt und beschlossen, mich für ein Gelingen der Energiewende einzusetzen. Ich wollte gern als Multiplikator für die Sache arbeiten: Wichtig ist, auf Menschen zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Damit kann man immer noch am meisten erreichen.

sg