Wenn Fachleute über die Dürre des vergangenen Sommers reden, dann sagen sie Dinge wie: "Die Wahrscheinlichkeit für Extremsommer wie jenen von 2018 hat sich infolge des menschengemachten Klimawandels ungefähr verdoppelt." Solche Formulierungen sind zwar wissenschaftlich korrekt, aber in ihrer Abstraktheit erreichen sie viele Menschen nicht. Anders klingen die Worte des Kinderbuchautors Horst Eckert alias Janosch: "Wondrak sagt: Wenn die Bäume sterben, geht die Welt unter ... auch für Tiger und Bär, das wäre schade."

Mit künstlerischen Beiträgen wie diesem möchte der Umweltverband WWF Deutschland "die Fakten der globalen Erwärmung um Geschichten ergänzen", sagt Lea Vranicar vom WWF. Elf renommierte Künstlerinnen und Autoren hat die Organisation gebeten, ihre persönliche Sicht auf den Klimawandel in Worte oder Bilder zu fassen. "Stimmen zur Klimakrise" lautet der Titel des Projekts. Veröffentlicht werden die Beiträge jeweils als Annonce in der Wochenzeitung Die Zeit – die erste erschien im Juni, bis zum Dezember soll die Aktion noch laufen.

Die Schriftstellerin Kathrin Schmidt hat für die WWF-Anzeigenkampagne ein Dürre-Gedicht beigesteuert (links); die Abbildung unten zeigt den Beitrag der preisgekrönten Geigerin Anne-Sophie Mutter; Quelle: WWF

Zu den Mitwirkenden zählen zum Beispiel die Bestseller-Autorin Sybille Berg oder die Schriftstellerin Kathrin Schmidt, die ein Gedicht über die Folgen der Dürre beigesteuert hat ("l'absence d'eau"). Die Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter lieferte einen ganz kurzen Text: "Ich habe die ‘Vier Jahreszeiten’ von Vivaldi schon immer geliebt und gerne gespielt, ich will sie aber auch weiterhin in der Natur erleben." In wenigen Worten macht die Künstlerin deutlich, dass beim Klimawandel auch etwas Gewohntes wie der übliche Jahreskreislauf auf dem Spiel steht – eine wichtige Lebensbedingung für unsere Flora und Fauna und für die Geigerin ein Wert an sich. "Die Angesprochenen haben sehr offen auf unseren Vorschlag reagiert und sich aus innerer Überzeugung an dem Projekt beteiligt", sagt WWF-Mitarbeiterin Vranicar. "Die Klimakrise liegt den Künstlerinnen und Autoren am Herzen."

"Die Resonanz hat all unsere Erwartungen übertroffen"

Die Aktion startete im Juni mit Barbara, einer anonym agierenden Künstlerin, die für ihre Botschaften im öffentlichen Raum und im Netz mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet wurde. Das erste Motiv der Anzeigen-Kampagne zeigte ein Schild, das an einem Pfahl in einem Getreidefeld prangt. Dort wächst auch eine Mohnblume, wie ein Hoffnungsschimmer dafür, dass die Bewahrung der Artenvielfalt noch möglich ist. Auf dem Schild ein dreistrophiges Gedicht, das mit den Versen endet: "Lasst uns alle viel mehr lachen / Strom aus Wind und Sonne machen / ‘Erde retten’ klingt zwar schlicht, / doch ´ne zweite gibt es nicht." Dem komplizierten politischen Diskurs über die Energiewende, in dem von riesigen Investitionen und großen Anstrengungen die Rede ist, setzte die Künstlerin ein einfaches, sinnliches Gedicht entgegen, das Mut machen und zum Lachen anregen sollte.

Die elf Motive verbreitet der WWF nicht nur als klassische Zeitungsanzeige, sondern auch über Social-Media-Kanäle. "Die Resonanz hat all unsere Erwartungen übertroffen", sagt Lea Vranicar. “Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Beiträge auf den Social-Media- Kanälen so häufig geteilt werden.“

Der Schriftsteller und Journalist Carl von Siemens hat sich ebenfalls an der Aktion beteiligt. Er engagiert sich gegen umstrittene Staudammprojekte wie Belo Monte in  Amazonien, um das Leben in Flüssen zu schützen – und steuerte für die WWF-Aktion einen Brief bei, den ein Onkel an seine Patenkinder schreibt, bevor er sich auf eine Reise in den amazonischen Regenwald begibt. Die Annonce zeigt ein vergilbtes Stück Papier, das eng beschrieben ist mit einer Schrifttype, wie man sie von alten, mechanischen Schreibmaschinen kennt. „Ich möchte, dass auch ihr dieselbe Möglichkeit haben werdet wie ich, in einem Regenwald voller wundersamer Pflanzen, singender Insekten und kreischender Affen mit Umweltschützern, Fischern und Indianern ein Boot zu besteigen“, heißt es dort unter anderem. Der Text ist ein Identifikationsangebot, er appeliert an unsere Verbindungen zu Kindern. Damit auch sie ein gutes Leben führen können, lohne es sich zu handeln.

Am Fuße jeder WWF-Anzeige wird an einige Basisfakten zum Klimawandel erinnert: an verdorrte Böden, versauerte Meere, schwindende Gletscher, vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Doch anstatt nur auf die Vermittlung solchen Wissens setzt der Umweltverband bewusst auf die Sprache der Lyrik.

Stephanie Eichler