David Scholz studierte Psychologie an der Universität Ulm und ist ehrenamtlich bei der Gruppe "Psychologists for Future" aktiv. Er beschäftigt sich unter anderem damit, wie man umweltförderliches Verhalten besser vermitteln und umsetzen kann. Leonie Kott studierte Psychologie in Freiburg und später in Ulm. Dort promoviert und forscht sie derzeit dazu, wie Technologien den Menschen bei Verhaltensänderungen unterstützen können.

 

Kennen Sie das nicht auch? Sie haben sich fest vorgenommen der Umwelt zuliebe weniger Müll zu produzieren. Doch kaum, dass Sie sich versehen, werden Ihnen in der Bäckerei die Brötchen in drei verschiedene Tüten gepackt, die Kuchenstücke durch Plastikfolien getrennt, und der Kaffee zum Mitnehmen bekommt einen Plastikdeckel verpasst.

Wieso passiert es so häufig, dass wir gute Vorsätze nicht umsetzen - obwohl wir sie uns doch so fest vorgenommen hatten? Eine Antwort darauf ist in der Psychologie unter dem Stichwort "Intentions-Verhaltens-Lücke" bekannt. Was genau sich dahinter verbirgt, und wie man seine Absichten besser umsetzen kann, wollen wir im Folgenden erklären - und dabei Techniken vermitteln, wie Sie die Hindernisse besser meistern können.

Was ist die Intentions-Verhaltens-Lücke? Und wie entsteht sie?

Die Intentions-Verhaltens-Lücke beschreibt, weshalb es trotz einer starken Absicht, auch Intention genannt, nicht immer zu entsprechendem Verhalten kommt. Wissenschaftler konnten in Studien zeigen, dass bei vielen Menschen eine Änderung ihrer Absichten (beispielsweise: "Ich möchte weniger Müll produzieren") nur recht schwach mit entsprechenden Handlungen zusammenhängt. Nur wenige Menschen also geben, um bei unserem Eingangsbeispiel zu bleiben, beim Bäcker einen Hinweis, dass Sie auf eine Tüte verzichten möchten (Webb/Sheeran 2006).

Gute Vorsätze - zum Beispiel zum Schutz von Umwelt und Klima - sind schnell gefasst. Aber wenn es  darum geht, konkret die Hand dafür zu rühren, dann wird es schwieriger; Fotos: Carel Mohn

In einer Übersichtsarbeit haben die US-Psychologen Paschal Sheeran und Thomas Webb die aktuelle Studienlage zusammengefasst (Sheeran/Webb 2016). Sie zeigen darin zwei Hauptgründe auf, weshalb Intentionen nicht in Handlungen umgesetzt werden. Zunächst komme es auf die Qualität der Intention an sich an. Diese werde durch drei Faktoren bestimmt:

a) die Konkretheit und Schwierigkeit der Ziele:
Bezieht sich Ihr Ziel auf eine konkrete Handlung? Ist es leicht erreichbar?

b) die Grundlage der Intention:
Kommt der Wunsch nach der Veränderung aus Ihnen heraus? Entspricht er dem, was Sie für richtig und gut halten? Oder versuchen Sie nur, die Erwartungen anderer Personen zu erfüllen?

c) die zeitliche Stabilität der Intention:
Haben Sie diese Intention schon seit längerem?

Doch auch Intentionen, die eine gute Qualität haben, führen nicht immer zu dem gewünschten Verhalten. Dies könne, so Sheeran/Webb, am zweiten Hauptgrund liegen - den sogenannten selbstregulatorischen Schwierigkeiten. Hier geht es - vereinfacht gesagt - um Probleme, die Intention in die Tat umzusetzen, weil man entweder nicht anfängt, nicht dranbleibt oder nicht zum Ende kommt.

a) nicht anfangen
Ein häufiges Problem ist, dass man durch die vielen Ablenkungen im Alltag schlichtweg vergisst, was man sich kürzlich noch vorgenommen hatte. Doch selbst wenn man seine gesetzte Intention nicht vergisst, kann es leicht passieren, dass man die Gelegenheit zum Handeln verpasst. Dies passiert besonders dann, wenn sich diese Gelegenheiten unregelmäßig bieten oder sie nur sehr kurz sind (wie beim eingangs geschilderten Bäckerei-Einkauf, wo die Ware sehr schnell eingepackt wird). Zuletzt kann eine Intention auch einfach daran scheitern, dass man sich gar nicht entsprechend vorbereitet hat. Hat man zum Beispiel keine Einkaufstasche dabei, dann wird man die Tüte für das Brot kaum ablehnen.

b) nicht dranbleiben:
Selbst wenn wir einmal ein bestimmtes Verhalten gezeigt haben, kann es sehr schwer sein, es längerfristig durchzuhalten. Das liegt zum einem daran, dass der Fortschritt nicht beobachtet wird und somit die Intention auch schnell wieder vergessen werden kann. Andere Gründe können auch negative Gedanken oder Gefühle gegenüber dem Verhalten sein ("Ich möchte nicht immer eine Extra-Behandlung") oder auch alte Gewohnheiten ("Ich habe bisher automatisch immer ja zu einer Tüte gesagt"). Zuletzt kann einem auch einfach die Selbstkontrolle fehlen, da man den Tag über schon sehr viel Willenskraft aufwenden musste und dann nach Feierabend an der Bäckertheke schlicht erschöpft ist (engl.: "ego depletion").

c) nicht zu Ende bringen:
Hier können zwei Probleme auftreten: Entweder man hat das Gefühl, man habe sein Ziel schon fast erreicht und hört dann auf, sich weiter anzustrengen, das Ziel weiter zu verfolgen. Oder man hat das Ziel erreicht, aber hört nicht auf, weitere Anstrengungen zu unternehmen. Ersteres kann dazu führen, dass das Ziel letztendlich nie erreicht wird. Letzteres kann dazu führen, dass man keine Zeit und Kraft hat, neue Ziele zu verfolgen.

Zudem gibt es auch Verhaltensweisen, die einen dem gewünschten Ziel gar nicht näherbringen, die man aber weiterhin verfolgt, weil man bereits so viel Zeit, Arbeit und Ressourcen investiert hat (engl.: "sunk-cost fallacy"). Zum Beispiel hat man noch die zusätzliche Gefriertruhe im Keller stehen (und zu laufen), obwohl man sie nicht mehr wirklich braucht. Weil man denkt: "Aber sie war doch so teuer...!"

Wenn so viel schiefgehen kann, mag es erst einmal verwunderlich erscheinen, dass Intentionen überhaupt in Verhalten münden. Sheeran und Webb betonen in ihrem Aufsatz, dass die genannten Hürden weder unvermeidlich seien - noch unlösbare Probleme darstellen. In der Tat schafft man es ja häufig doch schon beim ersten Mal, seine Absichten umzusetzen. Und sollte es einmal nicht direkt klappen, kann man die oben genannten Hürden durchgehen und herausfinden, woran es lag. Und dann einen Plan aufstellen, damit es das nächste Mal besser klappt.

Wie kann man die Lücke besser überwinden?

Als besonders gute Methode, um die Hürden zu meistern, schlagen die Autoren sogenannte Wenn-dann-Pläne vor (fachsprachlich: Implementationsintentionen). Diese einfache Methode hat sich als eines der effektivsten Mittel erwiesen, seine Intentionen in Verhalten umzusetzen - gerade auch für umweltförderliches Verhalten (Grimmer/Miles 2016). Eine Erklärung dafür ist, dass Implementierungsintentionen dabei helfen, die Intention und das gewünschte Verhalten in einer Situation eher "automatisch" abzurufen.

Die Methode funktioniert so:

1. Stellen Sie sich so lebhaft wie möglich vor, was Sie erreichen möchten. Machen Sie dazu gern die Augen zu. Wie sieht das genau aus und wie fühlt es sich an?

2. Was möchten Sie genau tun, um dieses Ziel zu erreichen? Wo möchten Sie das genau tun? (z.B. beim Bäcker, Fast-Food-Lokal, …)

3. Manchmal verläuft das Leben nicht so wie geplant, und etwas kommt zwischen uns und unser Ziel. Was sind für Sie die größten Hindernisse zu Ihrem Ziel?  (z.B. mir ist es unangenehm, es wird sehr schnell eingepackt, etc.)

4. Wie möchten Sie sich das nächste Mal in dieser entscheidenden Situation verhalten? (zum Beispiel: "Ich sage gleich bei der Bestellung, dass ich keine Tüte möchte.")

5. Formulierung eines Wenn-Dann-Plans für diese Gelegenheiten : (also beispielsweise: "Wenn ich beim Bäcker bestelle, dann sage ich gleich, dass ich keine Tüte möchte. Wenn es mir in der Situation unangenehm ist, dann frage ich besonders freundlich danach.")

Eine andere effektive Methode, die natürlich mit den Wenn-dann-Regeln verknüpft werden kann, ist die Beobachtung des eigenen Fortschrittes bei der Zieleinhaltung. Besonders effektiv ist es dabei, seine Fortschritte aufzuschreiben (z.B. in einer Art Tagebuch) oder sein soziales Umfeld über die Fortschritte zu informieren (z.B. einem/einer Freund/in stolz darüber berichten). Wenn-dann-Regeln helfen einem vor allem dabei, mit dem gewünschten Verhalten zu beginnen und dranzubleiben. Die Beobachtung des Fortschritts hilft auch das Verhalten aufrechtzuerhalten und macht einem bewusst, wann ein Ziel erreicht ist.

Ein konkretes Beispiel: Müll vermeiden - wie bekomme ich das hin?

Spielen wir zum Schluss nochmal die Anwendung der vorgestellten Techniken praktisch durch. Nehmen wir also an, Sie fassen den Entschluss weniger Müll zu produzieren. Nehmen Sie sich jetzt am besten fünf bis zehn Minuten Zeit und machen sich ein paar Gedanken. Als erstes hat es Sinn, an der Qualität Ihrer Intention zu arbeiten:

1. Zielsetzung:
Wenig Müll zu verursachen, ist leicht gesagt, aber sehr unspezifisch. Hingegen wäre der Vorsatz, ab sofort komplett müllfrei zu leben ("zero waste") sehr konkret, aber zugleich sehr schwierig umzusetzen. Finden Sie also am besten einen Kompromiss! Wie wäre es also, erstmal mit dem Ziel zu starten: Ich möchte kein Obst und Gemüse kaufen, das in Plastik verpackt ist.

2. Herkunft:
Überlegen Sie noch einmal, wie Sie zu dem Ziel stehen. Ist es Ihnen persönlich wirklich wichtig? Oder hat jemand anderes Sie dazu angeregt oder gar aufgefordert? (Ihr/e Partner/in zum Beispiel?) Wenn Sie persönlich noch keinen wirklichen Bezug zu dem Ziel haben, kann es Sinn haben, sich erst noch ausgiebiger mit dem Thema zu befassen oder sich anderen Zielen zu widmen. Sind Sie zum Beispiel der Meinung, dass Sie die Umwelt durch ihr Auto viel mehr belasten als durch ihren Plastikverbrauch? Dann starten Sie lieber dort!
Wir nehmen aber hier weiter an, Sie wollen tatsächlich Ihren Plastikmüll reduzieren.

3. Zeitliche Stabilität:
Machen Sie sich nochmals bewusst, ob Sie gerade aus einem Affekt heraus handeln, da Sie zum Beispiel eben das erste Mal einen Dokumentarfilm gesehen haben über die Folgen von Plastik in den Weltmeeren oder ob Sie das Thema schon länger beschäftigt. Sollte es eher aus einem Affekt erfolgen, kann es auch hier sinnvoll sein, sich noch einmal länger mit dem Thema zu befassen.

Gut, nun haben Sie eine solide Intention. Als nächstes ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, woran die Umsetzung scheitern könnte - damit Sie dem gleich entgegenwirken können. Überlegen Sie also Schritt für Schritt, wann Sie das Verhalten zeigen können, das sie sich vorgenommen haben. Was Sie daran hindern könnte, dem Vorsatz nachzukommen. Und treffen Sie dann entsprechende Vorbereitungen.

Wenn Sie sich also vorgenommen haben, beim Obst- und Gemüse-Einkauf künftig Müll zu vermeiden, dann wäre der Supermarkt-Besuch eine sehr naheliegende Gelegenheit - weil Sie wahrscheinlich dort das nächste Mal Obst und Gemüse kaufen. Überlegen Sie also: Was könnte Sie im Supermarkt daran hindern? Fehlt Ihnen vielleicht eine Alternative zu den Plastiktüten? Am besten formulieren Sie dann eine Wenn-dann Regel, um zu verhindern, dass Sie das Verhalten nie zeigen oder nicht dranbleiben. Diese könnte beispielsweise lauten: Wenn ich zum Supermarkt gehe, dann nehme ich einen Stoff-Beutel mit. Oder andere Wenn-sann-Regeln, die Sie sich vorab zurechtlegen: Wenn ich zwischen billigerem Obst mit und teurerem Obst ohne Plastik währen kann, dann kaufe ich das ohne Plastik. Oder: Wenn ich Gemüse nur mit Plastik bekomme, dann kaufe ich es nicht. Oder: Wenn ich Obst und Gemüse brauche, dann gehe ich auf den Wochenmarkt (und nehme dort keine Plastiktüte an). Oder, falls Sie das Gemüse wirklich brauchen: Wenn es das Gemüse nur mit Plastik gibt, dann beschwere ich mich bei dem Filialleiter.

Beobachten Sie daraufhin Ihren Fortschritt in irgendeiner Form! Wenn Sie lieber strukturiert sind und kaum die Unterstützung von Freunden und Familie brauchen, dann markieren Sie doch einfach im Kalender, wie oft, oder besser: wie selten Sie mit Ihrem veränderten Verhalten Ihren Verpackungs-Mülleimer voll bekommen (es muss nicht immer gleich ein Tagebuch sein). Oder hilft es Ihnen, von Ihrem sozialen Umfeld unterstützt zu werden? Dann berichten Sie doch einem Freund oder einer Freundin von Ihren Erfolgen! Und vergessen Sie nicht, dass Sie auch die Zielerreichung im Blick haben sollten - also einen Indikator festzulegen, wann Sie Ihr Ziel als erreicht ansehen. Und diesen regelmäßig zu prüfen. Im Idealfall hat sich Ihr Verhalten dann auch dank der Wenn-dann-Regeln automatisiert, und Sie können sich anderen Verhaltensweisen widmen.

Dieser Text ist zuerst auf der Website von "Psychologists for Future" erschienen