Die bislang übliche Medien-Berichterstattung rund ums Klima regt die Öffentlichkeit nicht dazu an, aktiv zu werden. Das ist das Ergebnis der in der Zeitschrift „Global Environmental Change“ veröffentlichten Studie „The climate change research that makes the front page: Is it fit to engage societal action?“ eines interdisziplinären Forschungsteams der Universität Lausanne. Es betrachtete mehr als 50.000 wissenschaftliche Artikel aus knapp 5.800 Fachzeitschriften, die im Jahr 2020 zum Thema Klimawandel veröffentlicht wurden, und analysierte, ob sie von Nachrichtenmedien aufgegriffen wurden.

Bereits eine frühere Analyse hatte gezeigt, dass das Interesse der Medien bei katastrophalen Ereignissen wie Hitzewellen steigt, ebenso bei politischen Events wie den jährlichen UN-Klimagipfeln oder Klimaprotesten. Diese enge Fokussierung aber habe zur Folge, so die Forschenden, dass die Öffentlichkeit die Bedeutung des Klimawandels in seiner ganzen Breite nicht erfasst und sich deshalb auch nicht aktiv für mehr Klimaschutz und Klimaanpassung einsetze.

In den Medien beliebt: Studien zu Naturwissenschaften und zu Gesundheit

Die aktuelle Analyse zeigt, dass Medien vor allem Arbeiten aus den Bereichen Naturwissenschaften und Gesundheit aufgreifen, hingegen Studien etwa zu Landwirtschaft, Technologie und Energie deutlich vernachlässigen – also ausgerechnet aus Bereichen, wo es um Lösungen für die Klimakrise geht.

Zu den bei Redaktionen „beliebten“ Themen gehörte im Untersuchungszeitraum zum Beispiel die Frage, wie weit der Klimawandel bereits fortgeschritten ist. Während sich lediglich 27 Prozent der wissenschaftlichen Publikationen auf das Ausmaß der klimabedingten Veränderungen beziehen, machen diese 63 Prozent der von den Medien aufgegriffenen Veröffentlichungen aus. Während solche Arbeiten also weit überrepräsentiert sind, wurden zum Beispiel Studien, die sich mit der Wirksamkeit von Klimaschutz-Maßnahmen befassen, bis zu siebenmal weniger von den Medien thematisiert.

Die üblichen Kriterien, nach denen Medien die Themen auswählen, über die sie berichten, fokussieren häufig auf das Problem und nicht auf mögliche Lösungen – übrigens nicht nur, wenn es ums Klima geht; Foto Carel Mohn

41 Prozent der von den Nachrichtenmedien aufgegriffenen Beiträge stammten aus nur sechs hoch renommierten Zeitschriften – drei aus dem Nature-Portfolio. Die Reputation der akademischen Fachzeitschriften ist also ein wesentliches Auswahlkriterium. Sehr beliebt sind außerdem Beiträge aus multidisziplinären Zeitschriften: Während sie nur fünf Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten ausmachten, hatten sie in den Nachrichtenmedien sogar einen Anteil von 39 Prozent.

Wann lösen Nachrichten Verhaltensänderungen aus?

Wie aber müsste die Berichterstattung aussehen, um zu mehr Klimaschutz zu ermutigen? Dies sei angesichts der komplexen Aspekte, des globalen Zusammenhangs und der langen Zeiträume eine „Herausforderung“, gestehen die Autorinnen und Autoren der neuen Studie ein.

Die Klimakommunikation, die auf Erkenntnissen der Gesellschaftswissenschaften basiert, habe in den vergangenen 20 Jahren „deutliche Verbesserungen“ erreicht. Nachrichtenmedien gelten in der Forschung als wichtigste Kommunikations-Pipeline. Allerdings nehmen sie nur dann die ihr zugeschriebene Rolle wahr, wenn die Nachrichten auch die psychologischen Trigger für Verhaltensänderungen enthalten, die einen gesellschaftlichen Wandel einleiten könnten.

Die sozialpsychologische Forschung hat gezeigt, dass möglicherweise keine Verhaltensänderung herbeigeführt wird, wenn vor allem für die Ursachen und Folgen des Klimawandels sensibilisiert wird. Ähnlich wirkungslos ist es wohl auch, Ängste und andere starke Emotionen hervorzurufen oder eine  positive Einstellung zu mildernden Faktoren zu erzeugen.

Aus Sicht der Forschung hingegen seien Nachrichten kommunikativ dann wirksam, wenn die Öffentlichkeit „nicht das Gefühl hat, dass sie bedrohliche Informationen vermeiden, vernachlässigen, minimieren oder ignorieren muss, sondern sich durch Abmilderungs- und Anpassungslösungen gestärkt fühlt und ihrerseits Handlungen vornimmt, die zum Vorläufer eines größeren zukünftigen Wandels werden können“.

Dafür gelte es, drei sozialpsychologische Faktoren beziehungsweise Barrieren bei der Aufnahme von Informationen zu berücksichtigen, die umweltfreundliche Verhaltensweisen unterstützen bzw. bremsen:

  • Erstens den „Confirmation Bias“, wonach Menschen gern nur das aufnehmen, was ihre bereits existierenden Überzeugungen bestätigt.
  • Zweitens komme es auf die Art an, wie Menschen Informationen verarbeiten: Sie tun das entweder auf eine eher anstrengende, kontrollierte, also stark fokussierte Weise oder auf eine eher mühelose, automatische Weise, also eher nebenher.  Die Art und Weise hängt von ihren Fähigkeiten und ihrer Motivation ab.
  • Drittens besteht eine psychologische Barriere in der individuellen wie auch kollektiven Schwierigkeit, sich wirksam genug zu fühlen, etwas ändern zu können – Stichwort „Selbstwirksamkeit“. Die größte Wirkung erzeugt umweltfreundliches Handeln nämlich dann, wenn mit ihm kulturelle Veränderungen angestoßen werden, was „ein gewisses Maß an kollektiver Wirksamkeit erfordert“, so die Studie. Diese Wirksamkeit drückt sich durch das Gefühl aus, dass das, was die Gruppe macht, wahrscheinlich einen wesentlichen Unterschied, möglicherweise sogar auf globaler Ebene, machen kann.

Übliche Themenmuster

Ein Großteil der Klimawandel-Berichterstattung jedoch – mit ihren Schwerpunkten auf dem wissenschaftlichen Verständnis des Klimawandels und seinen Auswirkungen wie Hitzewellen und andere Extremwetterereignisse – gilt sozialpsychologisch betrachtet als weniger erfolgversprechend. Dabei erfolgt in den Redaktionen (und oft auch schon in Wissenschafts-Pressestellen) die News-Auswahl nach bestimmten Nachrichtenwert-Filtern, die von mehreren Faktoren beeinflusst werden. Dazu gehört etwa das, was Wissenschaftler oder Journalistinnen als wichtig empfinden; aber auch das thematische Profil etwa einer Zeitung oder Fernsehsendung, die anvisierte Zielgruppe oder ihre Ausstattung mit Personal spielen eine wichtige Rolle dabei, welche Themen sie aufgreift und verbreitet.

Ein Thema für eine weitere Untersuchung könnte deshalb sein, sie auf mehrere Jahre auszudehnen, um zu prüfen, ob sich die Berichterstattung im Laufe der Zeit ändert. „Ich würde zum Beispiel erwarten, dass in Europa die Energiekrise nach dem Ukraine-Russland-Krieg den Fokus auf energiebezogene Themen ausgeweitet haben könnte,“ sagte Hauptautorin Marie-Elodie Perga gegenüber klimafakten.de. Die vorliegende Studie untersuche jedoch speziell, welche wissenschaftliche Erkenntnisse medial aufgegriffen werden.

Dringlichkeit als Frage der Bewusstseinsbildung

Die Forschenden zeigen sich davon überzeugt, dass die Nachrichtenmedien eine zentrale Rolle bei  der öffentlichen Meinungsbildung spielen und damit auch kollektives Handeln beeinflussen können. Umfang und die Qualität der Berichterstattung über den Klimawandel würden sich direkt auf das öffentliche Bewusstsein auswirken. In Ländern, in denen dem Klimawandel große Aufmerksamkeit geschenkt wird, werde er eher als dringendes Problem wahrgenommen, das dringende Maßnahmen erfordert. Findet hingegen nur eine begrenzte Berichterstattung statt, nehme das Gefühl der Dringlichkeit ab.

Angesichts der Auswertungsergebnisse kommen die Forschenden erstens zu dem Schluss, dass die einseitige Mediatisierung den Effekt einer „selektiven Informationsaufnahme" verstärkt. Zwar konzentrierten sich die Medien überwiegend auf aktuelle Nachrichten aus der Klimawissenschaft, die auf die Schwere des Klimawandels in der Zukunft hinweisen. Deshalb könne aber nicht angenommen werden, dass sich Mediennutzende mit diesen „unbequemen Wahrheiten" auch auseinandersetzen. Die Forschung zu Anti-Tabak-Kampagnen und -Warnungen beispielsweise habe gezeigt, dass Raucher einen "Immunisierungsprozess" gegen Informationen durchlaufen, der es ihnen ermöglicht, ihr Verhalten beizubehalten.

 

Redaktionen sollten sich stärker am Begriff der „Nützlichkeit“ orientieren, so das Forschungsteam – also die riesige Fülle von Forschungsergebnissen gezielt danach durchforsten, was bei der Lösung der Klimakrise hilfreich ist und dann darüber berichten

 

Die Forschenden weisen zweitens darauf hin, dass der übliche Fokus der Berichterstattung auf die globalen Folgen des Klimawandels die „periphere Informationsverarbeitung“ zusätzlich verstärkt, da sie den Klimawandels „als weit entfernt im Raum und Zeit“ darstellen. Dies schaffe eine emotionale und psychologische Distanz. Demgegenüber wäre es wichtiger, über die lokalen Folgen des Klimawandels zu berichten, der die Menschen direkter betrifft und daher auch mehr beunruhigt.

Drittens kann die Berichterstattung über das globale Ausmaß der Klimawandel-Folgen, das nur von der nationalen und internationalen Politik beeinflusst werden könne, die Wahrnehmung kollektiver Wirksamkeit beeinträchtigen. Hingegen werde in den Medien wenig darüber berichtet, welche möglichen Klimaschutz-Maßnahmen wirksam sein könnten – ausgerechnet Beiträge, die auf umsetzbare Klimalösungen hinweisen, seien also unterrepräsentiert, was möglicherweise die Angst vor Klimawandel-Folgen schüre. Dies könne dazu führen, dass die Einzelnen sich nicht mehr in der Lage sehen, selbst zu handeln.

Kontraproduktive Furchtapelle

Neue Forschungsergebnisse weisen überdies darauf hin, dass sogenannte Furchtappelle die Glaubwürdigkeit der Nachrichtenmedien verringern und kognitive Widerstände erhöhen, was im Übrigen auch für die Verwendung von entsprechendem Bildmaterial gilt. Sie sind dann am überzeugendsten, wenn sie den Eindruck erwecken, dass eine Verhaltensänderung wirksam ist, um der Gefahr zu begegnen.

„Ist dies jedoch nicht der Fall, können Furchtappelle defensive Reaktionen wie Verharmlosung, Verleugnung und Vermeidung der Botschaft hervorrufen“, warnen die Forschenden. Das könnte beispielsweise auch Menschen betreffen, die in überschwemmungsgefährdeten Gebieten wohnen, aber nicht über die nötigen Mittel für Alternativen verfügen.

Berichterstattung nach dem Wissensdefizitmodell

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die mediale Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnissen über die Klimawandelforschung dem traditionellen "Wissensdefizitmodell" verhaftet bleibt. Dieses Modell geht davon aus, dass der Mangel an öffentlichem Wissen über die Ernsthaftigkeit des Klimawandel-Problems die Ursache dafür sei, dass zu wenig Klimaschutz passiert. Weitere Sachinformationen könnten zwar das Bewusstsein für den Klimawandel erhöhen, doch das genüge noch nicht, dass die Menschen ihren Lebensstil tatsächlich ändern.

Überdies verschärft die übliche Medienberichterstattung die Wahrnehmung, dass es sich beim Klimawandel um ein reines Umweltproblem handele. Damit werde vernachlässigt, dass die Schlüssel zur Lösung in „gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, gerechten, philosophischen und sogar technologischen Bereichen“ liegen, so die Forschenden.

Alternative: Transformatives Mediatisierungsmodell

Dem „Wissensdefizitmodell“ halten die Forschenden ein „transformatives Mediatisierungsmodell“ entgegen. Um Menschen zum Handeln zu bringen, würde es der Öffentlichkeit entscheidungsorientierte Lösungen vorschlagen und hierfür Wissen aus den Sozial- und Humanwissenschaften hinziehen. Ein solcher lösungsorientierter Journalismus würde auf weniger kognitive Widerstände stoßen, meint das Team. Er wäre zudem auf einen Ausgleich zwischen einem globalen Fokus und lokalen Besonderheiten bedacht – und hätte damit auch mehr Potenzial, zum individuellen oder kollektiven Handeln anzuregen.

Grundsätzlich sehen die Forschenden die Nachrichten-Redaktionen, aber zum Beispiel auch die Pressestellen von Forschungsinstituten in der Pflicht, ihre Kriterien für die Nachrichtenauswahl zu überdenken: Sie sollten sich stärker am Begriff der „Nützlichkeit“ orientieren – also die riesige Fülle von Forschungsergebnissen gezielt danach durchforsten, was bei der Lösung der Klimakrise hilfreich ist und dann darüber berichten, heißt es im Resümee der Studie.