Die sogenannten Sozialen Netzwerke, also Internet-Plattformen wie Facebook oder Twitter, sind in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Ein Gutteil der politischen Kommunikation findet inzwischen auf diesen Foren statt - das merken auch Nichtregierungsorganisationen oder andere Akteure in Sachen Klimaschutz. Dabei verlaufen Debatten auf Facebook & Co. häufig anders als persönliche Gespräche an Infoständen oder per Telefon.

"Der Ton dort ist manchmal sehr rau und unsachlich", sagt Birthe Hesebeck, bei der Tropenwald-Stiftung Oro Verde in Bonn zuständig unter anderem für Bildung und Öffentlichkeitsarbeit. "Nicht selten werden wissenschaftlich verifizierte Erkenntnisse einfach ignoriert oder von Laien heftig angezweifelt." Doch es gebe auch immer mehr sachliche Gegenstimmen, sagt Hesebeck - und um diese zu unterstützen, hat ihre Organisation nun eine praktische Handreichung veröffentlicht.

Auf einem Poster im Format A1 haben sie und ihr Team eine kleine Anleitung fürs Agieren in Sozialen Netzwerken zusammengestellt. Aus einer längeren Beobachtung von Facebook-Debatten und dem allgemeinen Kommentier-Verhalten wurden erst typische Argumentationsmuster bei umwelt- und klimapolitischen Debatten herausgearbeitet - sowohl von Kritikern einer nachhaltigen Politik wie auch von deren Befürwortern. Sodann haben die Oro-Verde-Leute elf Reaktionsmuster identifiziert: zum Beispiel Beleidigung, Ablenkung, Gleichgültigkeit, Übertreibung, Widerstand und einige andere.

Eines dieser typischen Reaktionsweisen sei etwa die Haltung "Erst ist jemand anderes dran". Für jedes der Muster nennt die Infografik dann zuerst konkrete Beispiele, in diesem Falle die beiden Zitate "Kümmert euch erst um die Schifffahrt, die sorgt für viel mehr Abgase als PKWs in den Städten" oder "Fliegen ist viel klimaschädlicher als Fleisch zu essen, also lass' mich in Ruhe!" Im nächsten Schritt liefert der grafische Leitfaden dann eine Erklärung, hier zum Beispiel: "Häufig wird ein fremdes Thema als Ausrede genutzt, um ein Thema, das einen selbst betrifft, nicht anzugehen."

Typische Argumentationsmuster und konstruktive Reaktionsweisen - in Form eines  übersichtlichen Entscheidungsbaumes

Zu jedem der elf Reaktionsmuster gibt es schließlich konkrete Ratschläge, wie eine konstruktive Reaktion aussehen könnte - im Falle der "Erst ist anderes dran"-Haltung ließe sich entgegnen: "Ja, es gibt viele Bereiche, in denen etwas passieren muss. Allerdings geht es nicht um Entweder-oder. Gerade beim Thema Klimaschutz müssen wir aufgrund der Dringlichkeit jede Chance nutzen. Hier könntest du mit einer Frage antworten: 'Ich versuche gerade nachzuvollziehen, wieso du meinst, man solle das eine lassen, um das andere zu machen. Geht nicht beides zugleich?'"

Vieles an der Handreichung ist nicht neu, auch gibt es bereits eine Reihe von Argumentationshilfen, etwa speziell zum Umgang mit sogenannten Internet-Trollen. Doch liegen solche Materialien oft nur in Englisch vor, und selten sind sie so übersichtlich gestaltet wie das Oro-Verde-Poster. Die analysierten Reaktionsmuster sind auf dem übersichtlichen Poster in konkrete Ratschläge eingebettet. In Form eines regelrechten Entscheidungsbaumes wird man durch typische Kommunikationssituationen auf Facebook & Co. geführt. Daneben stehen noch einige Grundregeln, etwa: "Sei immer positiv, freundlich und wertschätzend."

"Wir vergessen schnell, dass an der Sichtweise des anderen möglicherweise auch etwas dran ist"

Gerade diese ist eigentlich eine Binsenweisheit - gerät in Online-Debatten jedoch oft unter die Räder. Wieso aber kommt es gerade in Sozialen Netzwerken regelmäßig zu Überreaktionen? In einem ausführlichen Begleittext zum Poster, der auch alle elf Reaktionsmuster nochmal im Detail erörtert, versucht das Oro-Verde-Team eine - durchaus selbstkritische - Antwort: "In der Regel ist die hohe Emotionalität ein Zeichen dafür, dass wir die Sachebene verlassen haben und vielmehr auf der Ebene der Werte unterwegs sind. Anstelle eines Informationsaustausches geht es plötzlich um die Verteidigung eigener Überzeugungen und um verletzte Werte."

Da werde dann versucht, mit angeblich unumstößlichen "Wahrheiten" zu argumentieren, um zu beweisen, dass man selbst im Recht ist. "In solchen Augenblicken vergessen wir schnell, dass an der Sichtweise des anderen möglicherweise auch etwas dran ist. Geht es uns um einen Schlagabtausch, können wir natürlich die Sichtweisen des Gegenübers ignorieren." Das aber führe bei diesem meist zu einer Verteidigungshaltung. "Wollen wir jedoch mit Jemandem ins Gespräch kommen und ihn zum Nachdenken anregen, müssen wir dazu bereit sein, uns auch auf seine Sichtweise einzulassen."

Das Poster ist online auf der Oro-Verde-Website abrufbar, ebenso der ergänzende Erklär- und Lehrtext. Eine Druckversion des Plakats kann zum Preis von 2 Euro (plus Versandkosten) bestellt werden.

Toralf Staud