Zukunft und Vergangenheit liegen im Arbeitsalltag von Yves Dietrich nah beieinander. Lässt er den Blick von seinem Schreibtisch im schicken, holzverkleideten Büro durch den Schauraum des Autohauses schweifen, stehen rechts die SUVs mit Verbrennungsmotor und links die elektrisch betriebenen. Es sind Firmen wie das Autohaus Stahl im 22. Wiener Gemeindebezirk Donaustadt und ihr Verkaufspersonal, denen beim Übergang zur Mobilität von morgen eine Schlüsselrolle zukommt. Sie können der Kundschaft entscheidende Impulse in ihren Verkaufsentscheidungen geben und zur klimaverträglichen Antriebswende beitragen.
Einer von ihnen ist Yves Dietrich, E-Mobilitätsexperte bei Auto Stahl, einem seit 1950 bestehenden Familienunternehmen. Seine Lehre zum Einzelhandelskaufmann mit Schwerpunkt KFZ und Ersatzteile absolvierte der 26-Jährige in Wien bei einem Autohaus, das sich hauptsächlich auf Opel und Dietrichs damalige Hauptmarke Mazda spezialisierte. E-Autos spielten damals noch keine große Rolle in seinem Leben. Mazda selbst hatte während Dietrichs Ausbildung keinen Stromer im Sortiment, aber jeder Anfang ist schwer.

Mit Menschen wie ihm steht und fällt die Wende zur E-Mobilität: Autoverkäufer Yves Dietrich; Foto: Florian Sulzer
So ging es auch Dietrich, der sich seinen Kundenstamm über die Jahre aufbauen musste. Dafür erzählt er, müsse man nämlich einige Fähigkeiten besitzen, Verhandlungsgeschick mitbringen, natürlich über das technische Wissen verfügen und – ganz wichtig, betont Dietrich lachend – gern mit Leuten reden. Ein gepflegtes Auftreten und ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein scheinen auch nicht zu schaden, wenn man sich den jungen E-Auto-Verkäufer so anschaut. Jedenfalls werden die Fragen der Kundschaft schnell sehr konkret, vor allem wenn sie sich um Elektroautos drehen: Welcher Akku ist verbaut? Wie sieht es mit den Ladezyklen aus? Und die häufigste: Was ist mit der Reichweite?
Yves Dietrich kann aus eigener Erfahrung für die neue Technologie werben. Er fährt selbst einen Stromer (einen metallic-blauen Kia EV 6) und pendelt damit nicht nur jeden Tag zur Arbeit, sondern ist auch privat fast immer elektrisch unterwegs. Selbst auf die Nordseeinsel Sylt ging es mit dem E-Auto, knapp 1200 Kilometer von Wien aus. Drei- bis viermal musste Dietrich unterwegs zum Laden anhalten, einem Verbrenner hätte wahrscheinlich ein Tankstopp genügt.
Dietrich sieht das aber gelassen; früher mit seinem 1er-BMW sei er solche Strecken einfach ohne Stopp „durchgebrettert“ – aber einmal wäre fast ein Unglück passiert. Sekundenschlaf. Die Leitplanke nur noch Zentimeter entfernt. „Ganz, ganz knapp“, sagt er. Deshalb begrüßt er die Pausen während des Ladens. „Wenn ich mal kurz Mittagessen will, dann hänge ich das Auto irgendwo an“, erzählt Dietrich. „Das ist meist schon fertig geladen, wenn ich mit dem Essen gerade mal angefangen habe.“ Sein derzeitiger Dienstwagen lädt in 18 Minuten von zehn auf achtzig Prozent. Einmal durchstrecken, Pinkelpause oder kurz zu Mittag essen – und dann kann die Reise weitergehen.
„Man muss auch die Menschen einfach mal in so ein Auto reinsetzen. Die müssen das ausprobieren, dass die einfach ein Gefühl dafür bekommen.“
Die Angst mancher Kunden vor dem E-Auto versucht Dietrich zu nehmen. Und gleichzeitig ein gutes Gefühl zu vermitteln. Laut Dietrich haben die Vorurteile mit den Fahrzeugen von heute nichts mehr zu tun und sind längst überholt. Doch Stammtischweisheiten, die schon lange kursieren, muss man erstmal entkräften können. Sein Rezept dafür: „Man muss auch die Menschen einfach mal in so ein Auto reinsetzen. Die müssen das ausprobieren, dass die einfach ein Gefühl dafür bekommen.“
Die Reichweite der meisten E-Autos ist laut dem Autoverkäufer für den täglichen Gebrauch mehr als ausreichend. Und will die Kundschaft kein E-Auto, dann schwatzt ihnen Dietrich auch keines auf. Als Verkäufer will er das Wort „Nein“ möglichst vermeiden, wenn Kundschaft im verglasten Verkaufsraum vor ihm steht. Ein kurzer Blick in die Excel-Tabelle des aktuellen Jahres zeigt jedenfalls, dass Dietrichs überdurchschnittlich oft E-Autos verkauft.
Dietrich erreicht bereits eine E-Auto-Quote von mehr als 60 Prozent
Zweiundfünfzig rein elektrische Fahrzeuge und sechsunddreißig mit Verbrennungsmotor – sein Verkaufsanteil liegt also deutlich über sechzig Prozent, österreichweit sind 2025 nur gut 20 Prozent der Neuzulassungen E-Autos). Dietrichs Erfolg ist gut fürs Klima, aber auch für seine Firma und die Autohersteller. Denn 2025 ist das Jahr des EU-Flottenverbrauchs: Knapp 50 Prozent der von Dietrich verkauften Autos sollen elektrisch sein, das sei die Order von ganz oben. Gelingt ihm das, gibt es einen Erfüllungsbonus für das Autohaus, wie Dietrich schmunzelnd erzählt . Bei Nichterfüllung hat das für ihn keine direkten Konsequenzen für ihn, aber den Autokonzernen drohen Strafzahlungen, wenn sie den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer Neuwagenflotte nicht so stark senken, wie es langfristige EU-Vorgaben verlangen.
Generell kaufen Großkunden bereits mehrheitlich elektrisch, die Privatkundschaft hingegen tendiert immer noch zum Verbrenner. Und die will Dietrich mit guten Argumenten überzeugen. Fakt ist, dass E-Autos laufend günstiger werden. Auch im Betrieb sind sie preiswert, viele Servicekosten entfallen, etwa regelmäßige Ölwechsel. Dennoch ist der Preis ein Punkt, mit dem sich Dietrich in den Gesprächen mit privaten Autokäufern oft auseinandersetzen muss, genauer gesagt: dem in Relation zu etwa gleichwertigen Verbrennern oft noch höheren Anschaffungspreis der E-Autos. An dieser Stelle führt Dietrich dann nicht nur die geringeren Unterhaltskosten ins Feld, sondern erwähnt gleich auch eine PV-Anlage auf dem eigenen Dach: Wer damit lädt, ist in der Gesamtrechnung schnell günstiger als ein Verbrenner mit seinen Tankkosten (die ab 2027 wegen der Einführung der zweiten Stufe des EU-Emissionshandels absehbar weiter steigen werden).

Im Autohaus Stahl im 22. Wiener Gemeindebezirk Donaustadt machen Stromer bereits einen Gutteil des Angebots aus; Foto: Florian Sulzer
Das Hin und Her der Politik in punkto Stromer kann Dietrich nicht nachvollziehen. Besser am Förderansatz festhalten, um Menschen zum Kauf zu bewegen, weil das ist im Endeffekt auch gut fürs Klima ist, findet er. Darüber hinaus solle das Ladenetzwerk weiter ausgebaut und einheitliche Tarife und Ladekarten geschaffen werden. „Das ist am Anfang, wenn man sich da noch nicht auskennt, sehr, sehr verwirrend“, berichtet er aus eigener Erfahrung.
Das häufige Argument von den hohen Umweltbelastungen bei der Produktion von E-Autos sieht Dietrich auch eher gelassen. Erstens seien Verbrenner im Produktionsprozess ebenfalls nicht schadstofffrei, zweitens entfällt bei den Stromern der lokale Schadstoffaustoß, also die Luft in Städten wird sauberer; aber drittens zeigen auch längst etliche Studien, dass E-Autos bei einer Betrachtung der Gesamtnutzungsdauer klare Vorteil gegenüber Verbrennern haben.
Zielgruppe sind nicht die "Benzinköpfe", sondern die Innovationsoffenen
Ein Klientel, das sich besonders gut für den Stromer eigne und tatsächlich langsam Richtung E-Auto tendiere, sind laut Dietrich Menschen auf dem Land. „Wer eine PV-Anlage am Dach hat, schon vielleicht einen Stromanschluss in der Garage - oder vor dem Haus - oder sich eine Wallbox einbauen lässt – das ist der ideale Elektroautofahrer.“
Dennoch weiß Dietrich, dass alle guten Argumente eingefleischte „Petrolheads“ (also „Benzinköpfe“, wie man im Englischen leicht spöttisch sagt) nicht zum Umdenken bewegen werden. „Die fahren ihren Verbrenner, bis sie umkippen.“ Doch durch die anziehende CO2-Bepreisung wird das fossile Fahren ja immer teurer werden. Langfristig sieht Dietrich Menschen, die ihren Verbrenner auf Biegen und Brechen nicht abgeben wollen, nur noch Oldtimer fahren. Und, gibt er zu, den röhrenden Sound eines V8-Motors liebe er schon auch irgendwie.
Es gilt aber nicht unbedingt, die Anti-Elektro-Bubble zu überzeugen – sondern Menschen die entscheidenden Anstöße zu geben, die offen sind für die klimaschonende Technologie. Genau da setzen Verkäufer wie Yves Dietrich an – und das mit Leidenschaft: „Ich verkaufe E-Autos aus Überzeugung. Ich kann nichts verkaufen, wo ich nicht voll dahinterstehe. Und ich glaube, atmen müssen wir alle. Wenn die Luftqualität gut ist, dann haben wir auch alle ein besseres Leben.“