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Gibt es wirklich einen Klimawandel?

Behauptung: „Während der Mittelalterlichen Warmzeit war es wärmer als heute. Die heutige Erwärmung ist also nicht außergewöhnlich und hat sicherlich natürliche Ursachen.“

Fakt ist: Die sogenannte "Mittelalterliche Warmzeit" konzentrierte sich auf einzelne Regionen, weltweit jedoch war es damals nicht wärmer als heute

Antwort: Es stimmt, dass während der sogenannten Mittelalterlichen Warmzeit in manchen Regionen der Erde ungewöhnlich hohe Temperaturen beobachtet wurden, diese lagen vor allem auf der Nordhalbkugel. Doch in vielen anderen Erdgegenden und auch insgesamt war die Welt damals kühler als heute.

Es ist häufig zu hören, die Mittelalterliche Warmzeit (ungefähr 900 bis 1400 n. Chr.) sei genauso warm wie das heutige Klima gewesen – oder gar noch wärmer. Implizit wird daraus geschlossen, die heutige Erwärmung sei natürlichen Ursprungs und nicht durch menschliche Einflüsse verursacht. Oder die aktuell zu beobachtende Klimaerwärmung sei unproblematisch. Doch diese Argumente sind vielleicht rhetorisch überzeugend, wissenschaftlich hingegen nicht.

Erstens war die Mittelalterliche Warmzeit ein eher regionales Phänomen. Zwar gibt es in der Tat Belege dafür, dass damals Teile der Erde (etwa der Nordatlantik) wärmer waren als heute oder zumindest ähnlich warm. Diese Erwärmung und der damit verbundene Rückgang des arktischen Eises ermöglichte es beispielsweise den Wikingern, weiter nach Norden zu fahren, als dies vorher denkbar gewesen wäre. Doch gleichzeitig war es an anderen Orten der Erde wesentlich kälter als heute, etwa im tropischen Pazifik (Mann et al. 2009) – siehe dazu die ausführliche Antwort.

Bildet man jedenfalls den Durchschnitt aus wärmeren und kälteren Regionen, zeigt sich, dass die mittlere Temperatur auf der Erde während der Mittelalterlichen Warmzeit wahrscheinlich ähnlich war wie während der Erwärmungsphase Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Doch sind seit dieser Erwärmungs­phase die Temperaturen weiter gestiegen – und zwar deutlich über jene Werte, die während der Mittelalterlichen Warmzeit auf dem Großteil der Erde herrschten. Außerdem legen Messungen nahe, dass heute auch auf der Nordhalbkugel, wo die Mittelalterliche Warmzeit am deutlichsten spürbar war, die Temperaturen über den damaligen liegen (siehe Abbildung 1).

Diese Erkenntnisse wurden in zahlreichen Untersuchungen bestätigt, zum Beispiel 2013 durch ein weltweites Konsortium Hunderter Forscher:innen (PAGES 2k 2013). Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Sommertemperaturen der drei Dekaden 1985-2015 in Europa höher waren als in den vergangenen 2.000 Jahren, also jemals seit den Hochzeiten der Römer (Luterbacher et al. 2016). Auch weitere Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass es keine Belege gibt für eine weltweite "Mittelalterliche Warmzeit" – ebenso wenig übrigens wie für eine weltweite "Kleine Eiszeit", die nach manchen Behauptungen danach stattgefunden haben soll (Neukom et al. 2019).

Basierend auf diesen und weiteren Studien kam der Weltklimarat (IPCC) in seinem Sechsten Sachstandsbericht zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Aufheizung der Erde beispiellos ist für mindestens die vergangenen 2.000 Jahre, möglicherweise sogar für die vergangenen 125.000 Jahre (IPCC, 2021, AR6, WG1, SPM A.2.2).

Abbildung 1: Änderungen der globalen Oberflächentemperatur gegenüber dem Mittel 1850-1900 – gräulich dargestellt sind rekonstruierte Temperaturen (schraffiert die Unsicherheitsbereiche), schwarz gezeichnet sind Beobachtungsdaten; Quelle: IPCC 2021, AR6, WG1, SPM, Figure SPM1.a

Zweitens kennt man die Gründe für die sogenannte Mittelalterliche Warmzeit und kann sowohl die Stärke der Erwärmung als auch deren Muster relativ gut erklären. So weiß die Wissenschaft heute, dass diese Phase vergleichsweise warmer Temperaturen zu einem Zeitpunkt auftrat, als die Sonnenstrahlung leicht erhöht und die Vulkanaktivität niedrig war – beides sind bekannte Erwärmungsfaktoren.

Eine wichtige Rolle spielten offenbar Veränderungen im Muster der Ozeanzirkulation, die wärmeres Meerwasser in den Nordatlantik beförderten. Dadurch kann ein Großteil der seinerzeitigen Wärme auf der Nordhalbkugel erklärt werden (Mann 2002Mann et al. 2009Diaz 2011). Die Gründe für die damalige regionale Warmphase waren also vor allem interne, natürliche Schwankungen im Klimasystem – diese Erklärung aber scheidet für die derzeit auftretende, weltweite Erwärmung aus.

Fazit

1. Global betrachtet sind heute die Temperaturen höher als mindestens während der letzten 2.000 Jahre.
2. Die mittelalterliche Erwärmung auf Teilen der Nordhalbkugel hatte andere Gründe als die heute zu beobachtende.

Robert Way/klimafakten.de, August 2010;
zuletzt aktualisiert: 
Oktober 2022

Während der sogenannten Mittelalterlichen Warmzeit von etwa 900 bis 1400 n. Chr. herrschten in bestimmten Regionen der Erde relativ hohe Temperaturen. Beispielsweise ermöglichten damals eisfreie Ozeane den Wikingern die Besiedelung Grönlands. In Nordamerika kam es zu langanhaltenden Dürren. Doch wie warm war die Mittelalterliche Warmzeit wirklich? War der Planet auch insgesamt wärmer als heute? Zur Beantwortung dieser Frage muss man die Temperaturen der Erde umfassend betrachten – also nicht nur die Erwärmung einzelner Regionen, sondern die Entwicklung im globalen Maßstab.

Viele Rekonstruktionen historischer Temperaturen beziehen sich lediglich auf einzelne Orte oder aber auf die Durchschnittstemperatur der gesamten Erde (bzw. der einzelnen Erdhälften). Für eine genauere Analyse der Mittelalterlichen Warmzeit – und vor allem die Frage ihrer geografischen Verbreitung – genügt weder das eine noch das andere. Fachleute haben sich deshalb immer wieder detailliert mit der Frage beschäftigt, welche Bedingungen in den vergangenen zwei Jahrtausenden in verschiedenen Regionen der Erde herrschten. Zum Beispiel erstellte ein US-Forscherteam eine Weltkarte der Temperaturänderungen der letzten 1.500 Jahre (Mann 2009), mit der sowohl die sogenannte „Mittelalterliche Warmzeit“ betrachtet werden kann, als auch die sogenannte „Kleine Eiszeit“ (von Anfang des 15. bis ins 19. Jahrhundert). Diese Arbeit basierte auf mehr als tausend Sätzen von Proxydaten, für die beispielsweise Baumringe, Eisbohrkerne, Korallen oder Sedimentkerne analysiert wurden.

Das Resultat: Während der Mittelalterlichen Warmzeit herrschten in großen Teilen des Nordatlantiks, in Südgrönland, in der Eurasischen Arktis und Teilen von Nordamerika warme Bedingungen. In diesen Regionen haben die Temperaturen offenbar höher gelegen als im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990, in manchen Gebieten erreichten die Temperaturen sogar das noch höhere heutige Niveau. In vielen anderen Regionen jedoch lag die Temperatur deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990 und erst recht dem heutigen, etwa in Zentraleurasien, im Nordwesten Nordamerikas oder im tropischen Pazifik.

Abbildung 1: Rekonstruierte Abweichungen der Oberflächentemperatur während der sogenannten Mittelalterlichen Warmzeit im Vergleich zum Temperaturdurchschnitt der Jahre 1961 bis 1990 – gelb, rot und braun verzeichnet sind höhere Temperaturen, hell- bis dunkelblau niedrigere, für die grauen Regionen mangelt es an Daten; Quelle: Mann 2009

Offensichtlich, war die Mittelalterliche Warmzeit also kein weltweites Phänomen. Das wärmere Klima konzentrierte sich auf bestimmte Regionen, etwa den Nordatlantik; manche Regionen hingegen (etwa Teile des Indischen oder des Pazifischen Ozeans) waren sogar kälter als während der kältesten Periode der Kleinen Eiszeit.

Wie fällt ein Vergleich mit den gegenwärtigen globalen Temperaturen aus? Abbildung 2 zeigt, wie viel wärmer die einzelnen Regionen der Erde zu Anfang des 21. Jahrhunderts (Dekade von 1999 bis 2008) im Vergleich zum Referenzzeitraum der oben zitierten Studie (Durchschnitt von 1961 bis 1990) waren. Auffällig ist die großflächige Erwärmung in nur wenigen Jahrzehnten (mit einzelnen Ausnahmen, etwa der Abkühlung im Südpolarmeer).

Abbildung 2: Abweichungen der Oberflächentemperatur für den Zeitraum 1999 bis 2008 im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961 bis 1990 – gelb, rot und braun verzeichnet sind höhere Temperaturen, hell- bis dunkelblau niedrigere, für die grauen Regionen mangelt es an Daten; Quellen: NOAA und Mann 2009.

Vergleicht man beide Grafiken, so springt ins Auge, dass weite Teile des Globus heute viel wärmer sind als während der Mittelalterlichen Warmzeit.

Spätere Studien bestätigten den Befund. Beispielsweise analysierten Neukom et al. 2019 knapp 700 Proxy-Datensätze aus den vergangenen 2.000 Jahren. Dabei fanden sich „keine Belege, dass es vor Beginn der Industrialisierung weltweit einheitliche Zeiträume mit warmen oder kalten Temperaturen“ gab. Die aktuelle Erwärmung hingegen tritt nicht punktuell auf, sondern praktisch überall auf der Welt gleichzeitig.

 

Abbildung 3: Wann war es wo am wärmsten? Die linke Grafik zeigt die Situation auf der Erde während der sogenannten „Mittelalterlichen Warmzeit“ – die höchsten Temperaturen wurden damals in den verschiedenen Weltgegenden in sehr unterschiedlichen Jahrhunderten erreicht. Auf der rechten Grafik ist die große Synchronität der aktuellen Erwärmung klar zu erkennen – praktisch überall auf der Welt wurden die höchsten Temperaturen der vergangenen 2.000 Jahre im letzten Jahrhundert (dunkelste Färbung) erreicht; Quelle: Neukom et al. 2019, Fig. 3.b+c

Diese Untersuchung stammt wie weitere grundlegende Studien zum Thema vom Forschungskonsortium „PAGES 2k“, zu dem sich Hunderte Forscher:innen von Dutzenden Instituten weltweit zusammengeschlossen haben. Die Abkürzung PAGES steht für „Past Global Changes“, zu deutsch: Globale Veränderungen der Vergangenheit; und 2k steht für die vergangenen 2.000 Jahre. Das Konsortium besteht aus neun regionalen Arbeitsgruppen, die jeweils die besten paläoklimatischen Daten aus den entsprechenden Regionen zusammenträgt; jene für Europa und den Mittelmeerraum heißt beispielsweise EuroMed2k.

Eines der Ergebnisse des PAGES 2k-Teams war 2013, dass die Erderwärmung der vergangenen rund hundert Jahre einen vorherigen, langanhaltenden Abkühlungstrend der Erde beendet hat. Und dass die gegenwärtigen Temperaturen (weltweit betrachtet) höher liegen als in den 1.400 Jahren zuvor – inklusive der Mittelalterlichen Warmzeit. Die Forschungen ergaben auch, dass es solche regionalen Warmperioden zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Weltregionen gab:

„Die Zeit zwischen etwa 830 bis 1100 war in allen vier Teilregionen der Nordhalbkugel eine anhaltende Warmperiode. In Südamerika und Australien/Asien trat eine durchgehend warme Periode von etwa 1160 bis 1370 auf. In der Arktis und in Europa waren die Temperaturen während der ersten Jahrhunderte nach Christus relativ hoch.“

Für die Zeit vor der heutigen weltweiten (menschengemachten) Erwärmung fand das Team keine Belege für weltweit synchrone, über mehrere Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte anhaltende Warmperioden. Ihre Befunde fassten die Forscher:innen unter anderem in einer Streifengrafik zusammen (siehe Abbildung 4): Für die sieben Weltregionen sind dort die Temperaturen in jeweils 30-Jahres-Abschnitten visualisiert. Die sogenannte Mittelalterliche Warmzeit ist als Abfolge rötlicher Streifen zwischen den Jahren 800 und 1000 in Europa und vor allem Nordamerika und der Antarktis erkennbar. Zur gleichen Zeit waren aber die Temperaturen in der Arktis kaum erhöht und in Südamerika teils deutlich kühler. Und niemals seit mindestens 1.000 Jahren traten dunkelrote Streifen (hohe Temperaturen) in so vielen Regionen gleichzeitig auf wie ganz am Ende des 20. Jahrhunderts (in der Grafik am rechten Rand).

Abbildung 4: Durchschnittstemperaturen in sieben Weltregionen während der vergangenen zwei Jahrtausende – jedes Farbkästchen zeigt den Durchschnittswert für einen 30-Jahres-Zeitraum. Gelb- und Rottöne stehen für Temperaturen über dem Durchschnitt des Zeitraums 1190 bis 1970, Blautöne für Temperaturen unter dem Durchschnitt; Quelle: PAGES 2k 2013

Basierend auf diesen und weiteren Studien konstatiert der Weltklimarat (IPCC) in seinem Sechsten Sachstandsbericht, dass es seit Christi Geburt niemals in so vielen Gegenden der Erde gleichzeitig so warm war wie heute (IPCC 2021, AR6, WG1, Kap. 2.3.1.1.2). Die aktuelle Aufheizung der Erde sei daher beispiellos für mindestens die vergangenen 2.000 Jahre, möglicherweise sogar für die vergangenen 125.000 Jahre, heißt es in der Zusammenfassung des Reports (IPCC, 2021, AR6, WG1, SPM A.2.2). Übrigens verwendet der IPCC die Begriffe „Mittelalterliche Warmzeit“ oder „Kleine Eiszeit“ kaum, weil – wie er in einer Fußnote erklärt – sich diese Episoden zeitlich nicht klar abgrenzen lassen und außerdem regional variierten (IPCC, AR6, WG1, Kap. 2, Cross-Chapter Box 2.1).

Fazit

Wer behauptet, während der Mittelalterlichen Warmzeit sei es wärmer gewesen als heutzutage, beschränkt sich unzulässigerweise auf wenige Regionen mit damals ungewöhnlich warmen Temperaturen.

John Cook/klimafakten.de, August 2010;
zuletzt aktualisiert: 
Oktober 2022

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