Wie entanden die IPCC-Sachstandsberichte, und worum geht es in den einzelnen Teilbänden?

Der Sechste Sachstandsbericht (AR6) erscheint im Laufe der Jahre 2021 und 2022 in Teilbänden und ist das Ergebnis eines insgesamt mehr als sechsjährigen Arbeitsprozesses. Die Schwerpunkte und Kapitelinhalte für die drei Einzelteile wurden im September 2017 auf einer Plenarversammlung des IPCC beschlossen (sie sind hier veröffentlicht, jeweils in Englisch: Gliederung Band 1Gliederung Band 2Gliederung Band 3). Im Zuge der Corona-Krise wurde die Verabschiedung, und damit alle einzelnen Abgabetermine, um rund drei Monate nach hinten verschoben. (Allgemeine Hintergründe zum IPCC, seiner Arbeit und seinen Berichten finden Sie hier.)

Wie bereits beim AR5, der 2013/14 erschien, ist die Arbeitsgruppe 1 (Working Group I) des IPCC von Naturwissenschaftler:innen, insbesondere aus den Fachgebieten Physik, Chemie, Biologie, Meteorologie, Ozeanographie und Glaziologie geprägt. In den Arbeitsgruppen 2 und 3 wirken auch viele Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler:innen mit. Sämtliche Autor:innen arbeiteten ehrenamtlich.

Teilband 1 behandelt die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels („physical science basis“) und künftige Entwicklungen des Klimasystems. Dabei untersucht die Arbeitsgruppe 1 nicht nur die globale Dimension des Klimawandels, sondern auch Veränderungen auf regionaler Ebene. Sie bewertet unter anderem das sogenannte „Restbudget“ an Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen – also die Menge an Emissionen, die von der Menschheit höchstens noch ausgestoßen werden darf, wenn sie die Chance wahren will, den globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad oder gar unter 1,5 Grad Celsius zu halten (wie im Klimaabkommen von Paris 2015 beschlossen). Die Ergebnisse dieses ersten Teilbandes sind eine wichtige Grundlage für die Arbeitsgruppen 2 und 3. Wegen der Corona-Pandemie wurde die Verabschiedung auf Juli/August 2021 verschoben.

Teilband 2 analysiert die Auswirkungen der Erderhitzung auf Natur und menschliche Gesellschaft sowie Möglichkeiten der Anpassung (engl. „adaption“). Die Arbeitsgruppe 2 untersucht Faktoren, die die Vulnerabilität, also die Verwundbarkeit durch den Klimawandel beeinflussen. Sie befasst sich zudem mit konkreten, regionalen Folgen der absehbaren Klimaveränderungen. Zu jedem Erdteil sind 30 bis 50 Seiten lange Einzelkapitel vorgesehen. Der Beitrag der Arbeitsgruppe 2 soll im Februar 2022 fertiggestellt sein.

In Teilband 3 geht es um die Eindämmung des Klimawandels (engl. „mitigation“) sowie um kurz-, mittel- und langfristige Entwicklungspfade der Emissionen. Die von der Arbeitsgruppe 3 erarbeiteten Eindämmungsmaßnahmen betreffen Technologien und politische Maßnahmen, die den Klimawandel noch bremsen können. Detailliert werden in diesem Teilband zum Beispiel Energiesysteme, Land- und Forstwirtschaft, urbane Systeme, Gebäude, Verkehr und Industrie behandelt. Thema sind sowohl nationalstaatliche Instrumente als auch internationale Kooperation, Innovations- und Technologietransfer sowie soziale Aspekte und Finanz- und Investmentfragen. Teilband 3 soll im März 2022 verabschiedet werden.

Welche Sonderberichte erschienen vor dem Sachstandsbericht AR6?

Zwischen den großen Sachstandsberichten, die etwa alle sieben Jahre das Wissen der gesamten Klimaforschung ordnen und zusammenführen, veröffentlicht der IPCC kürzere Sonderberichte zu Spezialthemen. Zwischen dem AR5 und dem AR6 sind die folgenden vier erschienen:

  • Sonderbericht über 1,5°C globale Erwärmung (abgekürzt: SR1.5)
    Erscheinungstermin: Oktober 2018
    Inhalt: die Folgen einer Erderwärmung um 1,5 °C und Möglichkeiten, den Temperaturanstieg noch auf dieses Maß zu begrenzen
  • Bericht zur Methodik der nationalen Treibhausgas-Bilanzierung (abgekürzt: MR2019)
    Erscheinungstermin: Mai 2019
    Inhalt: Aktualisierung und Ergänzung der Richtlinien dafür, wie die einzelnen Staaten weltweit ihre Emissionen verschiedener Treibhausgase erfassen und für Klimaabkommen melden
  • Sonderbericht zu Klimawandel und Landsystemen (abgekürzt: SRCCL)
    Erscheinungstermin: August 2019
    Inhalt: der Stand der Forschung speziell zu den Folgen des Klimawandels für die Landmassen (z.B. Wüstenbildung, Risiken für die Landwirtschaft) und deren Nutzung durch den Menschen, also beispielsweise für die Landwirtschaft
  • Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre (abgekürzt: SROCC)
    Erscheinungstermin: September 2019
    Inhalt: der Stand der Forschung speziell zu den Folgen des Klimawandels für die Meere sowie Eismassen und Permafrostböden der Erde

Wie verlässlich sind die Aussagen in den IPCC-Berichten?

Aufgabe des IPCC ist es, einen Überblick zum jeweils aktuellen Stand der Klimaforschung zu geben, ihn zu ordnen und wissenschaftlich zu bewerten. Dabei werden ausdrücklich auch Wissenslücken und Unsicherheiten dargestellt – und konträre Ansichten, sofern sie wissenschaftlich fundiert sind. Die Berichte durchlaufen ein mehrstufiges, sowohl internes wie externes Begutachtungsverfahren.

Für eine erste Qualitätskontrolle sorgen die Teams hunderter Autor:innen, in die der IPCC ausgewiesene Fachleute zu den jeweiligen Themen beruft. Außerdem wirken mehrere Tausend externe Expert:innen mit, denen die Textentwürfe zur Begutachtung vorgelegt werden. Deren Anmerkungen müssen von den Autor:innenteams Punkt für Punkt abgearbeitet werden. Den Transparenzregeln des IPCC folgend, werden diese Anmerkungen allesamt im Internet veröffentlicht, sobald der Bericht veröffentlicht ist.

Die IPCC-Sachstandsberichte berühren viele Wissensgebiete. Deren Besonderheiten (etwa spezifische Arbeitsweisen) werden vom IPCC in den einzelnen Teilbänden und Kapiteln berücksichtigt. So ist bekanntlich in den Naturwissenschaften mit ihren reproduzierbaren Experimenten generell ein anderer Grad an Objektivität von Aussagen möglich als in den Sozialwissenschaften. Sobald Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zum Forschungsgegenstand werden, sind Experimente nur selten möglich, und Theorien können oft nicht in der Praxis getestet werden. Damit steigt die Unsicherheit von Aussagen, und es stehen sich oft sehr unterschiedliche Modelle gegenüber. Salopp gesagt: Das Verhalten von Menschen und somit die Wirkung politischer Maßnahmen lässt sich unmöglich so präzise vorhersagen wie das Verhalten von Treibhausgas-Molekülen. Weil zudem die Ergebnisse ökonomischer Kosten-Nutzen-Rechnungen oder politischer Szenarien – etwa zur Verbreitung neuer Technologien – stark von den gewählten Annahmen abhängen, sind eine möglichst vielfältige Besetzung der Autorenteams und die externe Begutachtung der Berichtsentwürfe besonders wichtig.

Der IPCC hat eigene Begrifflichkeiten zur Beschreibung der Belastbarkeit von Aussagen festgelegt, die alle drei Arbeitsgruppen konsistent verwenden. Das „Vertrauensniveau“ („confidence level“) für eine Aussage setzt sich zusammen aus je drei Abstufungen der „Belege“ („evidence“), also der Anzahl der verfügbaren Studien, sowie deren „Übereinstimmung“ („agreement“). Je mehr Belege für eine Aussage vorliegen und je stärker sie übereinstimmen, desto höher ist also das wissenschaftliche Vertrauen in die Korrektheit dieser Aussage.

Die nebenstehende Grafik (aus dem Ozean-Sonderbericht, SROCC) verdeutlicht das mehrstufige Vorgehen: In einem ersten Schritt werden die vorliegenden Forschungsergebnisse und deren Übereinstimmungen gesammelt und analysiert. Im zweiten Schritt findet die eben beschriebene Prüfung der Robustheit einer Aussage statt. Die Teilbände 2 und 3 verwenden meist diese qualitative Skala. Ist das Vertrauensniveau ausreichend hoch, wird – Schritt drei – eine statistische Wahrscheinlichkeit beziffert, also eine quantitative Skala verwendet. Dies ist vor allem im Teilband 1 der Fall, also im naturwissenschaftlichen Teil der Sachstandsberichte. Beispielsweise wird dort eine zu 95 bis 100 Prozent sichere Aussage durch die Formulierung „äußerst wahrscheinlich“ gekennzeichnet.

Der IPCC betreibt keine eigene Forschung, Grundlage seiner Berichte sind vorhandene Studien – wo immer möglich solche, die das in der Wissenschaft übliche Peer-Review durchlaufen haben, bei dem etwa in Fachzeitschriften Expertenkolleg:innen die Aufsätze vor ihrer Veröffentlichung prüfen.

Allerdings sind nicht alle relevanten Veröffentlichungen peer-reviewed, etwa Berichte von Behörden. Besonders die Arbeitsgruppen 2 und 3 sind auch auf solche „graue Literatur“ angewiesen. Im AR5 zum Beispiel waren fünf Prozent der von diesen Arbeitsgruppen zitierten Quellen nicht peer-reviewed. Nach den IPCC-Regeln ist die Nutzung grauer Literatur gestattet, wenn deren Qualität von den Autor:innen als ausreichend eingestuft wird. Die IPCC-Teams unterziehen daher Grauliteratur einem eigenen Peer-Review, begutachten sie also rückwirkend und durch mehrere Fachleute. Die Regeln schreiben zudem vor, dass alle verwendete Grauliteratur auf der IPCC-Website zugänglich und so öffentlich überprüfbar gemacht wird.

Wie politisch ist der IPCC?

Eine Grundregel des IPCC lautet, seine Berichte sollen „policy relevant, but not policy-prescriptive“ sein. Das heißt: Sie geben keine bestimmte Politik vor, sondern leuchten etwaige Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten und Szenarien aus, um informierte Entscheidungen in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft zu ermöglichen.

Diese Grundregel ist für die Arbeitsgruppen 2 und 3 von besonderer Bedeutung. Im Unterschied zur Arbeitsgruppe 1 befassen sie sich auch mit politisch relevanten Fragen, etwa jenen, welche Folgen der Klimawandel auf verschiedene Länder oder soziale Gruppen haben könnte, wie Kosten nach verschiedenen Gerechtigkeitsansätzen verteilt wären oder welche Lebensstile mit welchen Folgen für die Allgemeinheit verbunden sind. Werte, die Entscheidungen beeinflussen können, werden in ausführlichen Kapiteln zu Ethik sowie zum Umgang mit Risiken und Entscheidungsfindung im Angesicht von Unsicherheit diskutiert.

klimafakten.de-Redaktion
Stand: Juni 2021

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